Anzeige: |
Hsiao-Kang lebt mit seiner Mutter zusammen, die fortan (aufgrund bestimmter Ereignisse, die sie für unerklärlich hält, während der Zuschauer recht klare Einblicke in die Hintergründe erhält) versucht, mit dem Geist ihres toten Mannes Kontakt aufzunehmen, was für Hsiao-Kang eine ziemliche psychische Herausforderung wird. Nebenbei verkauft er auf der Straße Uhren. Eine Passantin ist nur an jener Uhr interessiert, die Hsiao-Kang selbst am Arm trägt. Da sie für eine bevorstehende Paris-Reise eine "Zwei-Zeiten-Uhr" benötigt, und Hsiao-Kang so schnell kein zweites Exemplar besorgen kann, vermacht er ihr schließlich seine Uhr, obwohl er wegen des Todesfalls in seiner Familie glaubt, dies könnte der gutaussehenden Frau Unglück bringen. Fortan beginnt für Hsiao-Kang eine Obsession mit der Pariser Uhrzeit, die für eine Seelenverwandtschaft mit dieser Zufallsbekanntschaft steht. Der Film selbst springt auch zwischen Paris und Taipeh hin und her, und der Zuschauer kann zunächst ganz subtil Querverbindungen entdecken, die vielleicht tatsächlich auf eine Verbindung zwischen den zweien hindeuten könnten. Während Hsiao-Kang sich ein Videoband von Truffauts Debütfilm "Les quatre-cents coups" ("Sie küßten und sie schlugen ihn") immer wieder anschaut, trifft Shiang-shyi auf einem Pariser Friedhof auf den mittlerweile 40 Jahre älteren Hauptdarsteller Jean-Pierre Leaud und ähnliche nette Ideen wie der Tabubruch, der eine Kakerlake involviert oder Hsiao-Kangs seltsame Werbestrategie, um bruchsichere Uhren an den Mann zu bringen. Doch spätestens mit einer Parallelmontage zwischen (wenig befriedigenden) sexuellen Ersatzbefriedigungen und einer (meisterhaft in Szene gesetzten) Masturbationsszene der Mutter werden die angedeuteten Synergien etwas zu offensichtlich. Bis auf die Schlußszenen (Kofferklau, "intensive Gefühle" und ein Riesenrad) , die mich dann doch wieder versöhnenten, liegen die Höhepunkte des Films allesamt vor der narrativen "Auflösung": oft skurrile, aber vor allem bemerkenswerte Szenen. Während Antoine Doinel eine Milchflasche klaut, stiebitzt Hsiao-Kang die Uhr in einem Kino-Flur, um dann von einem seltsamen Typen bis auf die öffentliche Toilette verfolgt zu werden. Der Film lebt von diesen kleinen Momenten, die wie Hsiao-Kangs Urinieren in Plastikbehältnisse immer wieder kleine Reaktionen verursachen, die vielleicht zum (meines Erachtens etwas aufgesetzten) Klimax des Films führen sollen. Es scheint offensichtlich, daß Regisseur Tsai Ming-liang es nicht darauf angelegt zu haben scheint, es dem Zuschauer allzu leicht zu machen, doch gerade die sperrige Wirkung des Films (nahezu jede Einstellung dieses Films scheint eine Minute oder länger zu sein, was das Thema nur noch intensiviert) und die Entscheidungen gegen Sehgewohnheiten und Erwartungen machen aus "What time is it there?" einen wirklich beeindruckenden und trotz kleiner Schockmomente liebenswerten Film. Insbesondere, wenn man Jean-Pierre Leaud mag.
|
|