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"This is the story of the tricky life and bitter downfall of Coleman Silk." Mit diesen Worten beginnt und endet dieser Film. Wir erfahren am Ende des Films, daß der Erzähler ein Buch namens "The Human Stain" schreiben will, und was darin stehen wird, wissen wir bereits. Dies ist eine typisch filmische Art, eine Geschichte zu erzählen (man vergleiche etwa "The Player"), stammt aber nicht aus der wirklichen Buchvorlage. Vieles aus Philip Roths Roman wurde für den Film herausgeschnitten, vernachlässigt oder stromlinienförmiger gestaltet, aber interessanterweise geschah dies zum besten des Films, wie man leicht nachvollziehen kann. Sicher sind manche der Charaktere des Films nicht deckungsgleich mit den Figuren des Buches, aber ein Film funktioniert auch nach anderen Regeln als ein Buch, und eine "werkgetreue" Verfilmung eines Bestsellers füllt nicht automatisch auch die Kinokassen. Robert Benton, ein routinierter, aber für amerikanische Verhältnisse etwas "leiser" Regisseur, ist sicher niemand, dem der Erfolg seiner Filme wichtiger ist als seine künstlerische Integrität, und das merkt man auch bei "The Human Stain", der einfach zu unspektakulär ist, um das Zeug zu einem Kassenschlager zu haben. Die Besetzung mit Anthony Hopkins und Nicole Kidman als ungleichem Liebespaar könnte zwar einige Zuschauer locken, denen es herzlich egal ist, daß die von Kidman gespielte Faunia keine Analphabetin ist oder man von der Familie des Coleman Silk, die im Buch eine wichtige Rolle spielt, hier nie etwas erfährt, aber einen Großteil des Reizes entwickelt der Film für die Leser des Buches, die mit ihrem zusätzlichen Wissen die kleinen Fugen füllen können. Für unvoreingenommene Kinozuschauer wird vielleicht einiges fehlen. Die Facetten des Vietnam-Veteranen Lester werden etwa ausgespart, doch selbst, wenn der "Autounfall" am Anfang des Films fast einem Attentat gleicht (was im Buch nicht so ist), so überzeugt ausgerechnet Ed Harris mit dieser kleinen Rolle, genau wie Gary Sinise als Nathan Zuckerman, der weder impotent, inkontinent oder gar fast 70 Jahre alt ist, auch eine gute Figur macht. Interessant ist es allerdings, wenn man sich die Stabangaben der Internet Movie Database anschaut und feststellt, daß es in diesem Film Schauspieler gab, die Figuren wie die Silk-Kinder Lisa, Mark und Jeff, die zweite Freundin Ellie, oder die Vietnam-Kollegen Swift, Bobcat und sogar den chinesischen Kellner gespielt haben. In dem Film, den ich sah, war davon nichts zu sehen, allenfalls Gesichter bei der Beerdigung, die allenfalls Statisten-Status haben. Wieviel abgedrehtes Material ist nicht in den Film gekommen - und wer hat diese Entscheidungen gefällt? Warten wir bis zum Director's Cut oder der DVD mit Bonusmaterial. Die Geschichte, die der von mir gesehene Film "The Human Stain" erzählt, ist vor allem auch eine Liebesgeschichte - natürlich wurden die Rollen der zwei Hauptdarsteller aufgeblasen, während Nebenfiguren wie Delphine Roux fast gänzlich aus dem Film verschwinden. Aber man muß dem Drehbuchautor Nicholas Meyer (schrieb auch an Star Trek 2, 4 und 6 mit und inszenierte 2 und 6) gratulieren, denn es ist ihm gelungen, aus einem nicht eben dialoglastigen 360-Seiten-Buch einen subtil erzählten, unterhaltsamen Film zu extrahieren. Einiges wurde dabei sogar noch verbessert, für den Ausspruch "Achilles on Viagra" könnte ihn Pulitzerpreisträger Roth sogar beneiden, und eine zentrale Stelle der Geschichte, die Frage, ob Coleman seine junge Geliebte in sein Geheimnis einweiht, wird im Film sehr viel überzeugender, weil zweideutiger, gehandhabt. Regisseur Benton baut außerdem auf Atmosphäre, macht die drei Tanzszenen zu geheimen Höhepunkten des Films, und vertraut voll auf seine Darsteller, die Szenen wie das Kennenlernen (im Buch allenfalls angedeutet) ebenfalls zu "mehr" machen, während etwa Faunias erste Worte "We're closen" für den Leser zumindest andeuten, daß bestimmte Aspekte des Buchs nicht ganz vergessen worden. Die größte Stärke des Films aber ist, daß Anthony Hopkins in einer Rolle, die schnell zu einer Witznummer werden könnte, absolut brilliert. Da ich natürlich von Anfang an in das Geheimnis des Coleman Silk eingeweiht war, konnte ich schon früh auf Details achten, und es ist wirklich verblüffend, wie sehr Hopkins die Rolle ausfüllt - wenn man seine Phantasie nur ein wenig spielen lässt und sein Erscheinungsbild etwas im Geiste verändert, ist Hopkins Coleman Silk, und dadurch, daß Wentworth Miller, der Darsteller des jungen Coleman, dieses Kunststück nochmal vollbringt, wird aus dem Film eine glorreiche Verfilmung eines Buches, bei dem man nicht unbedingt annehmen würde, daß man es verfilmen kann. Einer der besseren US-amerikanischen Filme, die ich dieses Jahr sah, was aber definitiv daran lag, daß ich das Buch in der Woche davor las, und ich deshalb gar nicht auf die Idee kam, zu hinterfragen, inwiefern Coleman Silks Geheimnis im Film sein Leben verändert oder gar erschwert hat. |
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