Before Night Falls
Regie: Julian Schnabel, Buch: Cunningham O'Keefe, Lázaro Gómez Carriles, Julian Schnabel, Lit. Vorlage: Reinaldo Arenas, Kamera: Xavier Pérez Grobet, Guillermo Rosas, Schnitt: Michael Berenbaum, Musik: Carter Burwell, Lou Reed, Laurie Anderson, Darsteller: Javier Bardem (Reinaldo Arenas), Olivier Martinez (Lázaro Gómez Carriles), Andrea Di Stefano (Pepe Malas), Vito Maria Schnabel (Junger Reinaldo), Johnny Depp (Bon-Bon, Lieutenant Victor), Sean Penn (Cuco Sanchez), Michael Wincott (Heberto Zorilla Ochoa), Najwa Nimri (Fina Correa), Hector Babenco (Virgilio Piñera), 134 Min., Kinostart: 29. Januar 2004
Nachdem Javier Bardem schon Mitte Januar in
Los Lunes al sol vollauf überzeugen konnte, kommt nun mit etwas Verspätung auch
Before Night Falls in die deutschen Kinos, für den er damals für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert worden war (Russell Crowe als
Gladiator bekam die Statuette dann …).
Im nach Basquiat zweiten Film des New Yorker Malers Julian Schnabel wird erneut die Biographie eines Künstlers nachgezeichnet, diesmal die des 1990 verstorbenen kubanischen Schriftstellers Reinaldo Arenas. Als Vorlage für den Film wurde das 1993 posthum erschienene Buch, das auch den Titel beisteuerte, noch um Passagen ergänzt, von denen der im Film von Olivier Martinez gespielte Freund und Erbe Arenas, Lázaro Gómez Carriles, berichten konnte.
Nach einigen Kindheitserlebnissen des jungen Reinaldo unterstützt er als Teenager Ende der 50er den Umsturz der Batista-Diktatur, doch die anfängliche Euphorie angesichts Fidel Castro hält nicht lange vor. Nachdem Arenas erste schriftstellerische Erfolge macht, und sowohl in die Autoren- als auch Schwulenszene Havannas eingeführt wird, übt die nicht mehr so neue Regierung ab Ende der 60er verstärkten Druck gegen Andersdenkende, psychisch Gestörte und Homosexuelle aus (natürlich werden hier nur graduelle Unterschiede gemacht), die sogar in Arbeitslager gesteckt werden. Arenas Arbeiten werden konfiziert, nur über glückliche Umstände gelingt es ihm, seinen zweiten Roman in Frankreich zu veröffentlichen, was die Obrigkeiten aber nur noch mehr gegen ihn aufbringt. Fortan verbringt er viel Zeit in Gefängnissen, mitunter wegen falscher Anschuldigungen, erst 1980 gestattet Kuba Homosexuellen, Geisteskranken und Verbrechern, das Land zu verlassen. Schließlich endet er mit seinem besten Freund in New York, wo er an AIDS stirbt, zuvor aber noch ein umfangreiches Werk vorlegt.
Abgesehen von der enormen darstellerischen Leistung Javier Bardem überzeugt der Film durch seine Bilder (die Herkunft des Regisseurs ist nicht zu leugnen) und die unkonventionellen Erzählmittel. Immer wieder zeigt Schnabel Dokumentarmaterial, rezitiert Gedichte Arenas oder verstärkt die Wirkung der Bilder durch geschickt gewählte Musikeinspielungen. Der zweideutige Charakter von Arenas Autobiographie wird durch halluzinatorische Szenen überzeugend dargestellt. Johnny Depps Auftritt in einer kleinen Doppelrolle zeigt etwa unterschwellig den (aus der wirklichen Verfolgung resultierenden) Verfolgungswahn Arenas: Er kann nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden, sieht sich in den skurrilsten Situationen sexuellen Avancen gegenüber, bis er schließlich in Einzelhaft fast verrückt wird.
Gegenüber diesem Teil fällt der Schluß leider etwas zurück, und wenn man etwa beachtet, wie souverän Schnabel die Massenszenen inszenierte, überrascht es etwas, wie stümperhaft (oder läuft das unter poetisch?) die Szenen mit dem Heißluftballon geraten sind. Offensichtlich empfand man es als wichtiger, Havannas bekannte Kielmauer nachzustellen, und vergaß darüber anderes. Aber abgesehen von diesem kleinen Schönheitsfehler zeigt der Film ein facettenreiches Leben mit einigen eindrücklichen Szenen.