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Doch aus allgemein bekannten Gründen (die aber Anne und dem Zuschauer vorenthalten werden) gibt es auf dem Lande keine geregelte Lebensmittelzufuhr mehr. Verseuchte Kühe werden verbrannt, die Hunde beginnen zu verwildern, und auch für die Menschen stellt sich die Frage, ob sie sich größeren Gruppen anschließen oder lieber allein ihr Glück suchen, wobei sich Anne mit ihren Kindern in Hoffnung auf einen Güterzug nahe der Eisenbahnschienen mit anderen Opfern der Situation häuslich einrichtet. Koslowski (Olivier Gourmet), der selbsternannte Anführer, hat einen guten Draht zum nächsten Dorf und den auf Pferden umherziehenden Wasserhändlern. Wer überleben will, muss etwas zum Handeln haben, wobei sich Koslowski auch durch besondere Dienste bezahlen lässt. Die Regeln der neuen Zivilisation entsprechen nur in den Grundzügen der heutigen Gesetzgebung - es gilt das Recht des Stärkeren, Fremdenhaß wird geschürt, bei kleinsten Diebstählen ist die Bereitschaft zur Lynchjustiz schnell gegeben. Und als Anne den Mörder ihres Mannes wiederentdeckt, heißt dies noch lange nicht, daß ihr Gerechtigkeit widerfahren wird … Michael Hanekes Film scheint zunächst dem Genre der Science Fiction zugehörig, doch ähnlich wie bei Peter Fleischmanns "Die Hamburger Krankheit" oder Alfred Hitchcocks "The Birds" geht es weniger um die Veränderung der Zivilisation (oder den Grund dafür), sondern um die psychologischen Umwälzungen im menschlichen Miteinanderleben. Der Film erinnert nicht an "The Omega Man" oder "28 Days Later", sondern eher an William Goldings "Lord of the Flies", wo die Hintergründe ebenso eher verschleiert werden. Und ähnlich wie bei Golding gibt es auch hier quasireligiöse Ansätze, die aber in einem Selbstopfer zu kulminieren scheinen … Den Titel "Wolfzeit" hat Haneke einer Beschreibung des Weltendes Ragnarök entnommen, aber es ist auch klar, daß das "Gesetz des Stärkeren" einer Zivilisation der Wölfe entspricht. Anne wird zum Führer ihres kleinen Rudels, Eva lernt einen gleichaltrigen Einzelgänger kennen, einzig einige Geschehnisse im Camp würden so nie in einem Wolfsrudel passieren, sondern sind leider typisch für die Spezies Mensch. Hanekes Film verstört und rüttelt den Zuschauer wach, ist in der (fehlenden) Ausleuchtung kompromißlos, und entwickelt eine beklemmende Atmosphäre. Im direkten Vergleich zu seinen letzten Filmen scheint aber das Drehbuch etwas zu unfertig, in der zweiten Hälfte verliert sich die Intensität des Films etwas, aber vielleicht will er die Zuschauer nach "Die Klavierspielerin" auch (etwas) schonen … |
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