Rohmer, der 1983 für
Pauline à la plage mal den Silbernen Bären bekam, gehört zu den französischen Altmeistern der
Nouvelle Vague, die langsam wegsterben, Rohmer selbst ist auch schon 83 Jahre alt. Wie schon bei
L'anglaise et le Duc, seinem überraschenden Kostümfilm, den aber kaum jemand sah, ließ sich Rohmer zu Triple Agent von einem Artikel inspirieren, der das Verschwinden zweier zwielichtiger Gestalten im September 1937 in Paris beschrieb. Rohmer selbst war damals ein Teenager, und kann sich nicht daran erinnern, schon damals von diesem konkreten Fall gehört zu haben, aber dennoch interessierte er sich brennend für eine Geschichte um plötzlich verschwindende Doppelagenten inmitten einer brisanten Zeit während des spanischen Bürgerkriegs, kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs. Leider ist recht wenig konkretes über den Fall bekannt, und Rohmer ist weniger daran interessiert wie Alan Moore in
From Hell oder Oliver Stone in
JFK Fragen zu beantworten, er präsentiert einfach die Fakten und macht daraus den typisch dialoglastigen Rohmer-Film, den wir lieben, wenn es um Sommerflirts und zerbrochene Herzen geht, der aber hier mit einer erdrückenden Atmosphäre träge und beschwerlich daherkommt.
Zu Beginn des Films geht es noch um zwei Paare, einen französischen Kommunisten und einen Weißrussen und Geheimnisträger, der angeblich wenig mit dem Kommunismus anfangen kann - und deren Frauen, die eigentlich fast noch interessanter sind. Die Angst davor, ausgehört zu werden, greift auch auf die Frauen über, und so wird eine harmlose Freundschaft zu einem Drahtseilakt, selbst ein Gespräch über die Vorzüge von Picasso und Malewitsch erscheint manchmal wie ein Verhör.
Der Zuschauer hat keinen Schimmer, wo das alles hinführen soll, die Entwicklung der Ehe des Weißrussen scheint ein Hauptaugenmerk des Films, und die beiden noch unverbrauchten Darsteller können den Widerspruch zwischen ehelichem Vertrauen und politischer Geheimniskrämerei in einigen gut ausgearbeiteten Dialogen gut herüberbringen. Doch mit dem doppelten Einsatz einer Irisblende und der Geschichte eines einstündigen Ausflugs des Gatten, während sie beim Schneider auf ein Kleid wartet, soll der Film plötzlich sein im Titel angedeutetes Versprechen einer Kriminal- und Agentengeschichte auflösen, der Zuschauer, der schon zuvor nie wusste, ob der angebliche Geheimdienstler, dessen Aktionen wir nie sehen, sondern immer nur aus seinem Munde berichtet bekommen, nicht einfach Wahnvorstellungen hat, wird in eine X-Files-Verschwörung geworfen, die sang- und klanglos fast dokumentarisch endet. Sehr unbefriedigend!
Den ganzen Film über erfahren wir durch schwarzweiße Wochenschauen, was sich so in der Weltpolitik bewegt, aber wenn Rohmer in einem Epilog den halben zweiten Weltkrieg in fünf Minuten zusammenfassen will, kommt er schon sehr oberlehrerhaft herüber. Ähnlich wie bei den Passagen, wo wir im Zusammenhang mit der griechischen Frau des Agenten erfahren, woher Worte wie "Euphemismus" stammen (das zweite Wort habe ich schon vergessen, so viel zum pädagogischen Erfolg Rohmers).
Der Film ist einfach nur ermüdend und man fragt sich am Ende, wozu das alles? Viele gute Ansätze verlieren sich, teilweise erscheint das Versteckspiel hinter Türen und in Treppenhäuser wie eine Hommage an Lubitschs To Be Or Not To Be - aber dort wurde man trotz aller verwirrenden Doppelagenten wenigstens unterhalten und intellektuell fit gehalten - bei Rohmer schaltet man irgendwann nur noch ab, und ich kann nicht einmal zur Verteidigung vorbringen, daß das zum Großteil an der berlinaleüblichen Müdigkeit liegt, wie Kollege Platthaus es bei seiner Angelopoulos-Kritik versucht. Es gibt halt doch zuwenige Beispiele für Regisseure, die sich in hohem Alter nochmal selbst übertreffen, und Eric Rohmer gehört mit diesem fahrigen Filmchen sicher nicht dazu.