Es ist kein Geheimnis, daß die Skandinavier im Bereich Kinder- und Jugendfilme führend sind. Was allerdings wie ein Geheimnis behandelt wird, ist das Detail, daß Petter Næss, der Regisseur des oscar-nominierten norwegischen Erfolgsfilms
Elling, mit
Bare Bea auch einen Film im 14plus-Wettbewerb eingereicht hat. Schon die Tatsache, daß Næss nicht die demnächst anlaufende
Elling-Fortsetzung
Mors Elling (was übersetzt nicht etwa "mehr Elling", sondern "Mutters Elling" heißt) gedreht hat, spricht für den Regisseur, der gerade in Washington dreht. Auch ist es beeindruckend, wie sehr der Inszenierungsstil von
Bare Bea sich von
Elling unterscheidet, denn Næss weiß natürlich, was ein jugendliches Publikum wünscht.
Abermals geht es um das "erste Mal", die 16jährige Bea ist die letzte aus ihrer vierköpfigen Clique, die "es" noch nicht hinter sich hat. Selbst jene Religionsfanatikerin, von der Bea annahm, daß "es" erst passieren würde, wenn sie 30 Jahre alt und verheiratet mit drei Kindern ist, sit ihr zuvorgekommen, und Bea fühlt sich nicht nur ein wenig unter Druck gesetzt. In dieser Situation scheint sich plötzlich ausgerechnet Daniel, der bestaussehendste und begehrteste Junge der Schule für sie zu interessieren, was natürlich neue Möglichkeiten offenbart. Doch dann klärt sie ihre erfahrenste Freundin Mia darüber auf, daß des erste Mal oft ein Desaster ist, und daß man es lieber mit jemandem hinter sich bringen sollte, in den man nicht verliebt ist - um nicht irgendwas in dieser Beziehung kaputt zu machen. Mia hat auch gleich einen Alternativplan zur Hand und macht Bea mit dem 19jährigen Landschaftsgärtner Anders bekannt, der sich durch seine schon rein altersmäßige sexuelle Erfahrung und ein eher unscheinbares Erscheinungsbild auszeichnet.
Bea hat sturmfreie Bude und lädt Anders zu Besuch ein …
Die nicht unbedingt innovative Handlung des Films gewinnt durch Beas Hobby, das Schreiben von Kurzgeschichten. Man sieht sozusagen vor ihrem geistigen Auge, wie sie aus ihren Erlebnissen Geschichten formuliert - zunächst sehr witzig, später vor allem persönlich. Und auch ihre Bewerbung bei einer kanadischen Creative Writing-Schule könnte ihrem jungen Glück in die Quere kommen - oder dafür verantwortlich sein.
Næss setzt nicht nur viel Musik ein (von der offensichtlich Pixies-inspirierten Band Surferrosa), auch unterstützt er das bereits sehr witzige Drehbuch durch Einsatz von Zeitlupe (um die Jugendlichen in Virgin Suicides-Manier fast zu mythologisieren - was hier aber parodiert wird) und Zeitraffer (etwa beim Tortenessen als Feier des Verlustes der Jungfräulichkeit oder beim Whisky einschenken als Vorarbeit dazu). Besonders positiv fällt aber ins Auge, wie sich die Geschichte ganz subtil entwickelt. Daniel und Anders sind natürlich widersprüchliche Figuren, aber Næss übt sich nicht in Schwarz-Weiß-Zeichnung, weder sind die Jungs wunderschön und potthässlich, Superlover und Tolpatsche oder oberflächlich und sensibel, sondern sie haben beide ihre Vor- und Nachteile - was die Verwirrung unserer Heldin natürlich nur noch verstärkt. Das Ende des Films scheint zwar sehr von einem coming of age-Erfolgsfilm der letzten Jahre inspiriert, aber Bare Bea überzeugt dennoch vollends durch seine Mischung aus jugendlichem Übermut und Subtilität.
Erwähnenswert ist übrigens noch, daß die jungen Darstellerinnen nach der Premiere mit der Frage konfrontiert wurden, ob der Film das Leben in Dänemark überzeugend darstellt - was bei einem in Norwegen spielenden Film nach einem schwedischen Drehbuch (was übrigens auch noch vor dem Film angesagt wurde) eine gewisse Ignoranz spiegelt, die selbst junge Schauspielerinnen auf ihrer ersten internationalen Premiere sehr schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringt. Daß man in den USA davon ausgeht, daß Skandinavier Lederhosen tragem, ist ja eine Sache, für einen europäischen Nachbarstaat (zumindest von Dänemark) ist dies aber doch eher peinlich.