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Februar 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

The Killing of a Chinese Bookie
USA 1976

The Killing of a Chinese Bookie (R: John Cassavetes) (Wiederaufführung)

Buch
und Regie:
John Cassavetes

Kamera:
Fred Elmes, Michael Ferris

Licht:
Mitch Breit

Schnitt:
Tom Cornwell

Musik
und Ton:
Bo Harwood

Darsteller:
Ben Gazzara (Cosmo Vitelli), Meade Roberts (Teddy / Mr. Sophistication), Timothy Agoglia Carey (Flo), Seymour Cassel (Mort Weil), Azizi Johari (Rachel), Virginia Carrington (Betty), Alice Friedland (Sherry), Donna Marie Gordon (Margo Donnar), Robert Philips (Phil), Morgan Woodward (John, der Boss), John Red Kullers (Eddie-Red), Al Ruban (Marty Reitz), Jack Ackerman (Tony Maggio), David Rowlands (Lamarr, Chaffeur), Arlene Allison (Imbiß-Bedienung), Soto Joe Hugh (chinesischer Buchmacher)

109 Min.

Wiederaufführung:
The Killing of a Chinese Bookie



Nach A Woman under the Influence und Opening Night beendet der Peripher-Verleih mit The Killing of a Chinese Bookie seine kleine Cassavetes-Reihe, und der Bookie dürfte wohl der am schwierigsten zugängige der Filme Cassavetes aus der Zeit Mitte der Siebziger sein.
The Killing of a Chinese Bookie (R: John Cassavetes) (Wiederaufführung)
The Killing of a Chinese Bookie (R: John Cassavetes) (Wiederaufführung)
The Killing of a Chinese Bookie (R: John Cassavetes) (Wiederaufführung)
The Killing of a Chinese Bookie (R: John Cassavetes) (Wiederaufführung)

Gleich zu Beginn verwirrt der Film durch seinen rüden Schnittrhythmus, der Eindruck wird noch durch fragmentarische Musikfetzen und die wackelige Handkamera gesteigert, doch während des Films ändert sich der inszenatorische Stil mehrfach, nicht immer kann man schnell benennen, warum. Nach dem aufrüttelnden Beginn gibt es etwa eine fast stumme Passage, dann wieder ist die Hintergrundmusik sehr aufdringlich, und die Ausleuchtung des Rotlichtmillieus, in dem der Film spielt, variiert zwischen ästhetisch übersteuerter Farbenpracht, fast völliger Dunkelheit und klinisch-nüchternem Katzenjammer des Morgens danach, allerdings eben nicht in dieser Reihenfolge.

Auch die Geschichte des Films erscheint dem Krimi-Genre zugehörig, die Regie konterkariert aber die meisten Spannungsmomente, der titelgebende Mord wird gar nicht gezeigt, das Fluchtauto hat einen Platten (muß man jedenfalls annehmen), aber nur die Autos irgendwelcher Passanten werden in halsbrecherische Ausweichmanöver mit quietschenden Reifen verwickelt. Und der große Showdown in einem Lagerhaus zieht sich erst fast zehn Minuten hin, es gibt kaum einen Kontakt zwischen den beiden Feinden, und dann verschwindet der eine, und vom anderen hören wir den ganzen Film nichts wieder. Godards A bout de souffle sieht im Vergleich zu Cassavetes Bookie wie feinstes continuity-editing aus, und es wird trotz einiger Parallelen zu Mean Streets oder The Godfather klar, daß Cassavetes im Gegensatz zu Scorsese und Coppola nicht im geringsten an einer Modernisierung oder auch nur Parodie des Genres interessiert ist.

Sein Film ist vor allem eine Charakterstudie. Ben Gazzara als Westentaschen-Hugh Hefner Cosmos Vitelli hält sich für den Größten ("I'm great!" - "I'm amazing!"), für den einzigen Nachtclubbesitzer mit Stil, für unverwundbar. Bei einem Ausflug mit seinen besten Mädchen zur Feier der Abbezahlung der letzten Rate des "Crazy Horse West" verliert er aber bei einem (wahrscheinlich abgekarterten) Pokerspiel 23.000 Dollar und es ist klar, daß man sich mit diesen Gangstern nicht anlegen sollte. da er aber das Geld auch nicht so schnell auftreiben kann, gibt man ihm eine andere Chance: Cosmo, der im Koreakrieg auch schon einige gooks getötet hat, soll einen "chinesischen Buchmacher" umbringen, die Schulden wären damit getilgt. Cosmo lässt sich nur darauf ein, zum "Verringerung" seiner Schulden den Chinesen in sein Lokal zu locken und die Gangster die Drecksarbeit machen zu lassen, an dem Abend geht er aber lieber mit seinen Mädchen ins Kino, und den Gangstern platzt der Kragen. Cosmo wird aufgemischt (im Dunkeln, kaum zu erkennen), mit einem geklauten Wagen, einem genauen Plan und einer nicht verfolgbaren Waffe ausgestattet und zum Morden geschickt. Dann platzt der Reifen, aber diesmal zieht Cosmo aus durch, und wie butterweich er in das streng bewachte Anwesen schleichen kann und nur mit einer Schußwunde wieder heruaskommt, sagt schon vieles über Cassavetes' fehlenden Respekt vor solchen Jerry Cotton-Groschenromanen, die Regisseure wie Tarantino zum Grundstein ihrer gesamten Karriere erklären. Das Ende des Films dreht sich dann auch nicht um die Aufklärung des Verbrechens oder die Rache der Gangster, sondern ausschließlich um Cosmo und seinen Club, um seinen bis zuletzt vergetäuschten Optimismus und seine Lebenseinstellung, die er durch nichts durcheinander bringen lässt.

Ein sehr dreckiger Film, der aber durch einen mal wieder herausragenden Ben Gazzara und einige besondere Momente auch viel von der Schönheit des Lebens selbst in der Gosse des Rotlichtbezirks herüberbringt. Und Meade Roberts als "Mr. Sophistication", dem Conferencier des "Crazy Horse West", wirkt wie eine Mischung aus Joel Grey in Cabaret und Sid Haig in House of 1000 Corpses, sein "I can't give you anything but love" ist schon alleine den Eintritt wert.