Moi César erscheint ein bißchen wie die Kinderfilmvariante von
Amélie Poulain. Wie der Titel schon andeutet, funktioniert der Film über eine Icherzählung aus dem Off, die die dargestellten Ereignisse auf witzige Weise kommentiert und uns einen Einblick in das Seelenleben des zehneinhalbjährigen, leicht pummeligen Helden gibt. Für erwachsene Zuschauer sind die Anklänge an die
Nouvelle Vague kaum zu übersehen. Zum einen eine später auffliegende (hier nicht vorsetzliche) Lüge über ein Elternteil wie in
Les quatre-cents coups (die Scheidungsprobleme der Eltern werden an die zwei anderen Kinderfiguren weitergegeben), zum anderen der skurrile Auftritt von Anna Karina, einer Lieblingsdarstellerin des frühen Godard als eine vom Patti Smith-Song
Gloria inspirierte Helferin in der Not.
Die offensichtlichste Filmanspielung ist aber die Rolle von Maria de Medeiros als Mutter von César, denn nicht nur schaut der Sohn die französisch synchronisierte Version von Pulp Fiction mit seinem Freund Morgan im Fernsehen, auch wird ein Traum Césars mit dem Surf-Soundtrack des Tarantino-Streifens unterlegt.
Doch ein paar Worte zur Handlung: César Petit verkörpert den Widerspruch seines Namens: Er will die Welt beherrschen, ist aber mit zehneinhalb noch zu klein dafür. Seine Eltern (und die Erwachsenen generell) behandeln ihn entweder wie ein Kleinkind oder weisen ihn darauf hin, daß er schon ein großer Junge sei und gewisse Aufgaben und Pflichten übernehmen müsse - immer je nachdem, was sie gerade von ihm wollen - was für sie sehr angenehm, für César aber sehr unfair ist. César erzählt uns die Geschichte seines Lebens, die damit beginnt, daß Sarah Delgado, das schönste Mädchen der Schule, in seine Klasse kommt. Infamerweise interessiert sich aber auch sein bester Freund Morgan für Sarah - und während Morgan der Inbegriff frühpubertärer Coolness ist und etwa beim Schwimmunterricht seine gestählte Brust präsentiert, behält der Kuchenfanatiker César lieber sein T-Shirt an und tritt verlegen von einem Fuss auf den anderen.
César, Sarah und Morgan werden zu einem eingeschworenen Trio wie in Jules et Jim, doch natürlich entbrennt ein Kampf um Sarah, der die Jungenfreundschaft in Gefahr bringt. Nach diversen Party- und Übernachtungsaktionen wollen die drei (natürlich geheim und unautorisiert) an einem Wochenende von Paris nach London fahren, um Morgans ihm nur namentlich bekannten Vater Charley Fitzpatrick zu finden, und nachdem César all seine kriminellen Energien und seine Erfindungsgabe aufgebracht hat, um mit der Kreditkarte seines Vaters die Reise zu finanzieren, scheint es so, als könne er wegen des falschen Ausweises nicht mitfahren, was Morgan natürlich den entscheidenden Vorteil bei der Annäherung an Sarah bringen würde. Doch so schnell lässt sich César nicht austricksen …
Moi César funktioniert nicht nur wegen der drei hervorragenden kleinen Hauptdarsteller, auch das Drehbuch fügt auf liebenswerte Weise die Abenteuer der Kindheit zusammen. Schon bei der Beerdigung zu Beginn des Films wird César wie eine junge Version des Harold aus Harold and Maude etabliert - spätestens wenn er seinen Regenschirm aufspannt, eine Szene, die gleichzeitig Hitchcocks Foreign Correspondent, Alan Moores Watchmen und Jacques Demys Les parapluies de Cherbourgh evoziert. Doch Moi César ist weitaus mehr als eine Aneinanderreihung von Filmanspielungen, die natürlich für das junge Publikum nicht funktionieren würde. Vor allem ist der Film ein quirliges Potpourri an Ideen, die aber immer im Dienste der Geschichte stehen. Und auch, wenn einige der Szenen entweder zu sehr auf einen kindlichen Humor abzielen (etwa wenn César nach Bohnenkonsum mit seinem Hintern reinste Orkane erzeugen kann) oder aber etwas zu erwachsen für vorpubertäre Zuschauer klingen (etwa Morgans detaillierte Ausführungen über Teile der weiblichen Anatomie), ist Moi César vor allem ein Film, der wie Haribo-Konfekt Kinder und Erwachsene ebenso beglücken wird.