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Oder zuletzt in der Bertolucci-Episode von "Ten Minutes Older - The Trumpet". Für ihren ersten Film wählte sie eine autobiographisch angehauchte dramatische Komödie, oder vielleicht besser ein komisches Drama. Jeder, der sich mit der aus Italien immigrierten Famile Bruni auskennt, wird mit Leichtigkeit Valeria und ihre jüngere Schwester Carla Bruni (ein Model, hier dargestellt von Chiara Mastroiani) wiedererkennen, die hier Federica und Bianca Camerasca heißen. Die Camerascas sind unermeßlich reich. Vor langer Zeit, als in Italien terroristische Angriffe auf reiche Industrielle gang und gäbe waren, zogen sie nach Paris. Der Vater liegt nun im Sterbebett, was für seine Tochter Federica bedeutet, daß sie in den Besitz einer großen Erbschaft kommen wird, … - genau genommen 1.125.000 Millionen Franc, wobei die Währung vielleicht sogar eine Bedeutung hat, denn seit 2002 benutzt man ja sowohl in Frankreich als auch in Italien den Euro … …doch dies ist exakt, was sie nicht will. Ihr ist unwohl wegen eines seltenen Leidens: Sie fühlt sich schuldig wegen ihres Lebensstandards, und weiß ihr Leben gerade deshalb nicht auszuschöpfen. Bei der Beichte ist sie sich nicht sicher, ob ihr Reichtum eine Sünde ist oder nur ein Zustand, bei der Tanzstunde oder der Ausübung ihres Jobs/Hobbys (sie schreibt Theaterstücke) weiß man nicht recht, ob die Tanzlehrerin oder der Regisseur sie wirklich loben, oder es sich nur nicht mit dieser unerschöpflichen Geldquelle verderben wollen. Sie fühlt sich schuldig wegen des Reichtums ihrer Familie, doch das hält sie nicht davon ab, mit einem verheirateten Mann herumzumachen. Sie irrt zwischen den Treffen mit ihrem Freund und den geheimen Rendezvous mit ihrem Ex, oder zwischen der Tanz- und Beichtstunde. Und auch der Film lebt von diesen zerrissenen, fragmentarischen Bewegungen: sprachlich springt man zwischen Französisch und Italienisch, narrativ zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Realität und Fantasie … und stilistisch -wie gesagt- zwischen Komödie und Drama, zwischen Animations- und Spielfilm. Wobei einige der fantastischen Elemente leicht und zweifelfrei als solche festgemacht werden können wie die kleinen Zeichentrick-Eskapaden, bei denen etwa der Titel des Films auch graphisch umgesetzt wird, eine mögliche glückliche Zukunft mit dem von Yvan Attal dargestellten "Mann im Park" oder eine Kindesentführung mit gänzlich unwahrscheinlichem Ausgang. Die Figur der Federica wird aber bei aller Fahrigkeit, Unentschiedenheit und Unzufriedenheit nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern nimmt den Betrachter ganz für sich ein, ihr Leben definiert sich durch die ihre erfolglose Suche nach dem persönlichen Glück. Naja … mich hat sie als Betrachter nicht ganz für sich eingenommen … aber Du hast schon recht, dadurch, daß man den Film und ihr Leben ja ganz durch ihre Augen sieht, kann man sich nicht völlig ihrem Standpunkt verschließen, auch wenn meine Eltern zuhause nicht mit Breughel-Bildern prahlen. Das Resultat ist ein Film, der überschäumt vor Emotionen, Farben und stilistischen Kapriolen. "Überschäumt!?" Wenn ein Capuccino zu sehr gerührt wird, kann er auch überschäumen. Mich hat es offensichtlich nicht so sehr gerührt wie meine Kollegin, die natürlich auch sehr viel mehr mit der Hauptfigur (und der Person dahinter) verbindet. Sehr zu empfehlen! Meinethalben "annehmbar bis sehenswert", aber vielleicht liegt es auch am Betrachter, die Emotionen aufzuspüren. Die erste Begegnung mit ihrem Ex war übrigens wirklich unter der Oberfläche überschäumend. (Ich weiß, daß das ein Widerspruch ist …) Als ich am Tag der Vorführung zufällig meine Ex traf, war nicht nur der symbolische Capuccino weniger als lauwarm, an der U-Bahn-Haltestelle hatte es sogar Minusgrade … |
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