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Februar 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Die Spielwütigen
D 199Juli 2000

Die Spielwütigen (R: Andres Veiel)

Regie:
Andres Veiel

Kamera:
Hans Rombach, Lutz Reitemeier u.a.

Schnitt:
Inga Schneider

Musik:
Jan Tilman Schade

Darsteller:
Karina Plachetka, Constanze Becker, Prodromos Antoniadis, Stephanie Stremler, Prof. Angelika Waller, Jochen Becker, Jutta von Zitzewitz, Brigitte Hobmeier u.v.a.

108 Min.

Kinostart:
1. April 2004



Berlinale 2004

Vorführungen:
» Freitag, 6.2., CineStar 7, 14.30 Uhr
» Montag, 9.2., International, 17.00 Uhr
» Donnerstag, 12.2., CineStar 7, 20.00 Uhr


Berlinale 2004 (Panorama Dokumente):

Die Spielwütigen



Andres Veiel, einer der wenigen deutschen Dokumentarfilmer, dessen Name (durch Black Box BRD) einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, stellt seinen neuen Film vor, Die Spielwütigen. Bereits seit 1997 haben Veiel und sein Team das Auswahlverfahren, Studium und "danach" der Karriere von vier Schauspielstudenten (Constanze, Karina, Prodromos und Stephanie) an der renommierten Berliner "Hochschule für Schauspielkunst" (HfS) Ernst Busch begleitet und dokumentiert.
Die Spielwütigen (R: Andres Veiel)
Die Spielwütigen (R: Andres Veiel)
Die Spielwütigen (R: Andres Veiel)

Was der Film nicht problematisiert, aber den Zuschauer interessieren könnte, sind zunächst die Hintergründe des Castings, denn vor dem Auswahlverfahren war ja noch nicht klar, wer es schaffen würde, und so wurden aus 200 Anwärtern erst mal 20 ausgesucht, die eine reelle Chance hatten, und sich durch eine zusätzliche "Mutprobe" als an der Mitarbeit am Film qualifiziert zeigten: Sie sollten nämlich das Team nach Hause einladen und vor ihren Eltern eine Kostprobe ihres Können liefern. Auf der DVD wird man wahrscheinlich vieles betrachten können, was den Rahmen des Films gesprengt hätte, doch auch schon bei unseren vier Protagonisten, die u.a. in einem Friseursalon (Karina Plachetka, momentan auch in Wir zu sehen) eine Vorstellung geben, bei der sich die Großmutter an die selige Zarah Leander erinnert, geben einen Eindruck in die unterschiedlichen Umfelder. Inwiefern etwa Prodromos' Eltern mit dem brachialen Monolog Travis Bickles anfangen können, bleibt fraglich.

Dadurch, daß der Film sich auf vier Anwärter beschränkt, von den zwanzig Favoriten des Filmteams aber immerhin neun die Aufnahmeprüfung bestanden, ergaben sich neue Schwierigkeiten, denn nun mussten einige der potentiellen Filmstars "fallengelassen" werden, was natürlich zu Animositäten an der kleinen Schauspielschule führte. Es bildete sich eine Lobby gegen das Filmteam, nicht jeder Dozent erteilte eine Drehgenehmigung, doch im Film werden all diese Bestandteile der Filmarbeit ausgeblendet, weil sich auch ohne die Probleme der Filmemacher genügend interessante Ansätze ergaben.

Natürlich kommt man heutzutage nicht umhin, Parallelen zu Big Brother oder Deutschland sucht den Superstar zu sehen, doch nicht nur kannte diese Formate 1997 noch kein Mensch, auch hebt sich Veiels Film wohltuend von solchen TV-Spektakeln ab, es geht weniger um einen "Gewinner", sondern um den steinigen Weg zum Schauspielstar. So wird etwa Prodromos' Entscheidung für die Karriere und gegen die Liebe (interessanterweise ist seine Freundin Brigitte "Gitty" Hobmeier inzwischen bekannter als er …) nur in wenigen Einstellungen angeschnitten, bei RTL hätte es dazu ein Special gegeben.

Prodromos ist auch derjenige, der am wenigsten "formbar" und am dickköpfigsten gegen die oft genauso sturen Dozenten ankämpft, und schließlich zur Einsicht kommt, daß man ihn "brechen" will. Immerhin braucht man ja nur drei "Fähnchen", also nichtbestandene Teilprüfungen, um exmatrikuliert zu werden …

Währenddessen kann sich Constanze sehr viel besser unterordnen und bekommt wichtige Rollen, die jedoch alle in Richtung "starke, ältere Frau" gehen. Wer will schon mit Mitte Zwanzig auf "Lady Macbeth" abonniert sein, bevor man jemals die Julia hat spielen dürfen? Stephanie hingegen soll lieber nicht die Gretel aus Faust spielen, sondern ihr komödiantisches Talent nutzen, also die Gegenseite des Spektrums, dummes Blondchen á la Ingrid Steeger. Oder sogar "Danebensteh- und Zuguckrollen".

Neben den Problemen und Entwicklungen der vier Hauptfiguren ist aber gerade interessant, was so "drumherum" passiert. Etwa die unterschiedlichen Gefühlsausbrüche nach der Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse oder ein Gespräch während der Pause der Proben zu einer Liebesszene, bei der ein Partner die wenig schmeichelhafte Selbstanalyse preisgibt "Es ist so schwierig, mir vorzustellen, in dich verliebt zu sein".

Beim Betrachten von Die Spielwütigen wird klar, warum es für den Regisseur und seine Schnitt-Crew schwierig gewesen sein muß, den Film in eine endgültige Fassung zu pressen. Die Facettenvielfalt ist immens, wahrscheinlich wäre der Film auch bei doppelter Spielzeit nicht langweilig geworden. Abermals hat Veiel bewiesen, wie spannend Dokumentarfilme sein können …