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Brutal ist er, der Film The Passion of the Christ, und damit, so behaupten zumindest seine Macher, realistisch. Ungeheuer viel Wert gelegt wird in der Promotion des Films auf den vermeintlichen Realismus, so viel, dass sogar in jenen Sprachen gedreht wurde (!), die seinerzeit von den Protagonisten vermutlich gesprochen wurden: Aramäisch und eine vulgarisierte Form des Lateinischen. Das Vergnügen, einen Film in Latein zu betrachten, hat man selten - Derek Jarmans Schwulenepos Sebastiane aus den 70ern ist eine der wenigen Ausnahmen, und sicherlich ist es etwas ganz besonderes, ein immer noch reichlich modernes Medium wie den Film mit toten Sprachen zu besetzen und nur über Untertitel der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Faszinierend ist das, aber mit Realismus hat es rein gar nichts zu tun. Im Gegenteil kann man sich kaum ein stärker distanzierendes Moment vorstellen, als den gepeinigten Jesus zu betrachten, dessen von Wunden übersäter Körper nach emotionaler Beteiligung des Zuschauers geradezu verlangt - und gleichzeitig auf Latein fluchende römische Soldaten zu sehen ("Idiotae!"). Man hat sich daran gewöhnt, die einem bekannten Sprachen als jene Sprachen der Leinwand zu akzeptieren, und Jesus hier in einer Sprache sprechen zu sehen, die er möglicherweise gesprochen hat, ist nicht realistisch, sondern maniriert. Ein Spektakel hat Gibson geschaffen, kein realistisches Abbild irgendwelcher Geschehnisse, ein Spektakel, das abgesehen von seiner sprachlichen Extravaganza all den gängigen Hollywoodnormen folgt: pathetische Musik schwillt zur Kreuzigung - und nicht erst da, böse Fratzen visualisieren dämonische Visionen, und der Satan hat viele computeranimierte Gesichter. All das ist wohl auch notwendig, denn wenn The Passion of the Christ aus der riesigen Kopienzahl, mit der er in den amerikanischen Kinos startete - mehr Kopien als Herr der Ringe und Harry Potter, raunt es kontinuierlich aus der Promotion -, muss er seinem Publikum einiges bieten. Aber eben auch hier wird, aus kommerziellen Gründen sicherlich zu Recht, mittels Musik, Schnitt und Kameraführung wie aus einem Guss der von der Filmindustrie vorgezeichnete Weg der Special Effects und der größtmöglichen Immersion ins Geschehen gegangen - und eben nicht der behauptete Realismus, der nach Brüchen verlangt hätte, die sich nicht nur durch den Körper Christi, sondern auch durch den Film ziehen. The Passion of the Christ ist berauschend in seinem Spektakel der Bilder und in seiner Gewalt, aber dabei auch immer schal. Man muss dazu gar nicht in die Diskussion um die antisemitische Tendenz des Filmes einsteigen, man muss gar nicht die jüngsten Holocaustleugnungen von Mel Gibsons Vater zitieren oder sich darüber echauffieren, dass die Kollektivschuld der Juden am Tod Christi in diesem Film wieder behauptet wird, was sogar vom zweiten vatikanischen Konzil bereits in den 60er Jahren aus der kirchlichen Lehre gestrichen wurde. Nein, es reicht bereits aus, dabei zuzusehen, wie hier in jedem Augenblick eine mythische Figur mit unfassbarer Präzision konstruiert wird. Die westliche Ikonografie der Leidensgeschichte und die Kunstgeschichte des Lichts eines Carravaggio werden hier zitiert, ohne Unterlass werden die Posen und Bilder des Katholizismus reproduziert. Die Christusfigur, die dabei herauskommt, wirkt, weil sie nichts anderes ist als eine Neuzusammensetzung jener Einzelposen, trotz ihres zerstörten Körpers, trotz ihres exzessiven Leidens immer auch irgendwie steif, leblos und künstlich. Der Jesus, den Gibson uns zeigt, ist ein reines Kunstprodukt, kein realistisches Abbild, sondern eines, das durch zwei Jahrtausende kirchlicher und künstlerischer Interpretation gegangen ist, und an diesem Erbe hat der Film - gerade wegen seines grotesken Anspruches auf Realismus - trotz all der beeindruckenden Bildgewalt schwer zu tragen. |
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