Durch die Weltpremiere seines neuen Films
Samaria auf der Berlinale wirkt Kim Ki-Duks vorheriger Film bereits beim Kinostart etwas antiquiert, aber noch auffälliger für
Frühling, Sommer, Herbst, Winter … und Frühling (im folgenden als
Frühling abgekürzt) ist, daß er so gar nicht in die übliche Filmographie um Prostitution und verheerende Liebesgeschichten hineinpasst. Die Parabel
Frühling erzählt mithilfe der Jahreszeiten vom Reifeprozeß der Menschen, kommt aber trotz Rückgriff auf buddhistische Lehren weder religiös noch belehrend daher.
Die fünf Episoden beginnen immer mit sich öffnenden, laut knarrenden Türen, die wie ein Theatervorhang die ansonsten sehr zurückgenommene Inszenierung betonen.
1:
Mitten auf einem malerischen See inmitten einer Berglandschaft schwimmt ein kleiner Tempel, in dem ein alter Mönch einen Jungen ausbildet. Auf dem Festland beobachtet der Mönch den kleinen Jungen dabei, wie er statt Kräuter zu sammeln einen Fisch, einen Frosch und eine Schlange dadurch piesackt, daß er ihnen einen Faden mit einem Stein um den Leib bindet und ihnen ein Weilchen dabei zuschaut, wie sie durch die veränderte Lebenssituation in Mitleidenschaft gezogen werden. In der Nacht bindet der Mönch dem Jungen entsprechend einen kleinen Mühlstein auf den Rücken.
2:
Mit einer kranken jungen Frau, die im Tempel von einer Krankheit kuriert werden soll, bietet sich für den mittlerweile herangewachsenen Jungen das Wunder der körperlichen Liebe, er lernt ein wenig Respekt für das andere Geschlecht und kehrt seinem Meister trotz dessen Warnung den Rücken zu.
3:
Jahre später kommt der inzwischen etwa dreißigjährige Mönch zurück. Entsprechend der Warnung seines Meisters hat ihn die Liebe dazu verleitet, ein Verbrechen zu begehen. Verfolgt sucht er den Schutz des Hortes seiner Kindheit auf, und der Mönch drückt ihm eine Beschäftigungsmaßnahme auf, die ihm wieder zu seinem inneren Frieden führen soll - während schon zwei Polizisten beim Tempel auftauchen.
4 + 5:
Geläutert tritt der Mönch den Platz seines verstorbenen Meisters an, und abermals tritt eine Frau in sein Leben - und mit ihr ein Kind, das den ewigen Kreislauf des Lebens symbolisiert.
Der Film propagiert ein in sich gekehrtes Leben in Einklang mit der Natur, der Einfluß der entfernten Zivilisation auf den fast heiligen Ort ist zumeist eher störend bis zerstörerisch. Kim, der seinen Film diesmal bis auf ein bißchen Tierquälerei light vor allem mit stiller kontemplation und idyllischer Schönheit der Natur ausstattet, gelingen einige Bilder, die den im letzten Jahr hochgelobten Dolls von Takeshi Kitano in die Schranken weisen. Der vereiste See als hintergründiges Symbol für den Tod lässt den Schneespaziergang in Dolls plakativ und aufdringlich erscheinen, der Verzicht auf Gewaltdarstellungen und übertriebene Melodramatik lässt Kim wie einen gereiften Künstler dastehen, während Kitano nur neue Stilmittel gefunden zu haben scheint, um seine übliche Geschichte zu erzählen. Ein skurriler Humor (die Katze!), die stimmungsvolle, aber zurückhaltende Musik und die bildgewaltige Allegorie machen aus Frühling, der beim Filmfestival San Sebastian den Publikumspreis errang und der in Locarno ebenfalls abräumte, zu einem Film, dessen Lehren sich jedem erschließen und den man am liebsten gleich nochmal sehen möchte. Als kleines Bonbon spielt der Regisseur diesmal übrigens auch selbst in Frühling mit, was die Verbundenheit zum Sujet nur noch stärker ausdrückt.
Kim über seinen Film: "Es geht um die Bedeutung der Reife in unserem Leben, wie wir uns entwickeln, um die Grausamkeit von Unschuld, das Besessensein von Begierden und den Schmerz mörderischer Intentionen."