Neun Jahre nach dem mit dem Sibernen Bären ausgezeichneten
Before Sunrise lässt Richard Linklater
(School of Rock) seine Protagonisten erneut aufeinander treffen. Wir erinnern uns: die Französin Celine (Julie Delpy) und der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) trafen sich in Wien, unterhielten sich angeregt und verbrachten dabei die Nacht miteinander. Der Film ließ es aber offen, ob sie auch wirklich die
Nacht miteinander verbrachten - ebenso wie die Frage offenblieb, ob sich die beiden sechs Monate Später an der selben Stelle noch mal wiedertrafen.
Der Romantik der Jugend setzt Linklater nun ein wenig die Abgeklärtheit von Mittdreißigern entgegen. Das Paris, in dem Before Sunset spielt, ist nicht so kitschig ausgeleuchtet wie das nächtliche Wien - Realismus und Tageslicht sind angesagt. Die beiden Hauptdarsteller arbeiteten diesmal auch am Drehbuch mit, was man schon durch die autobiographischen Töne merkt. Celine übt sich (wie Julie Delpy) nebenbei als Musikerin (drei Songs im Film), und Jesse ist (wie Ethan Hawke) ein Romanautor, der mit seiner Beschreibung der Wiener Ereignisse einen Bestseller kreierte. Auf seiner Lesungstour durch Europa landet er im Lieblingsbuchladen der Pariserin, die sich diese zweite Chance nicht entgehen lässt. Mit Steadicam werden die beiden über 80 Minuten lang verfolgt, wie sie über Gott und die Welt diskutieren - und natürlich über die Romantik, die Liebe, die Nacht damals und was sechs Monate später geschah. Dadurch, daß die momentane Animosität zwischen den Staaten und Frankreich auch zum Thema wird (Stichwort "freedom fries"), wird die Abkehr vom romantischen Before Sunrise unter anderem unterstrichen, aber Linklater, Delpy und Hawke haben sich natürlich noch etwas Romantik aufgespart, daran ändern auch die Heirat und Vaterschaft von Jesse bzw. Fernbeziehung von Celine nichts.
Before Sunset zeichnet sich noch stärker als der Vorgänger durch einen filmischen Minimalismus aus, weshalb die Verwandlung in einen Roman natürlich eine gewisse Ironie hat. Der filmisch schönste Moment ist der, wenn Jesse und Celine sich im Treppenhaus auf dem Weg zu ihrer Wohnung befinden und man ebenso plötzlich wie die Protagonisten mekrt, daß erstmals im Film nicht munterdrauflosgeplaudert wird - Aber das soll die Dialoge nicht abwerten, der Film mit seiner erfrischenden (und konsequenten) Kürze überzeugt durchgängig, wenn man einfach nur ein bißchen Romantik gewürzt mit einem Hauch Realismus mag.