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Mai 2004
Jörn Morisse
für satt.org

Elling - Nicht ohne meine Mutter
Mors Elling

Norwegen 2003

Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)

Regie:
Eva Isaksen

Buch:
Axel Hellstenius

Lit. Vorlage:
Ingvar Ambjørnsen

Kamera:
Rolf Håan

Schnitt:
Pål Gengenbach

Musik:
Lars Lillo-Stenberg

Darsteller:
Per Christian Ellefsen (Elling), Grete Nordrå (Mutter), Helge Reiss (Bugge-Høvik), Christin Borge (Mag), Per Schaaning (Georg), Lena Meieran (Grete Iversen), Torbjørn Paulsen (Elling als Kind), Henriette Steenstrup (junge Mutter), Kit (Erna)

80 Min.

Kinostart:
6. Mai 2004

Elling
Nicht ohne meine Mutter
Mors Elling



"Elling – Nicht ohne meine Mutter" ist nicht einfach eine Fortsetzung von "Elling", der im vorletzten Jahr erfolgreich in den deutschen Kinos lief. Dieser Film macht einen Sprung in die Vergangenheit und zeigt die Hauptperson, bevor sie ihren großen Zusammenbruch erlebt und auf Kumpel Kjell Bjarne trifft. An Stelle von Peter Naess führte Eva Isaksen Regie.
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)
Elling - Nicht ohne meine Mutter (Mors Elling) (R: Eva Isaksen)

Elling, wieder verkörpert von Per Christian Ellefsen, wohnt noch bei seiner Mutter, obwohl er die 30 längst überschritten hat. Es fällt ihm schwer, allein aus dem Haus zu gehen und Einkäufe zu tätigen. Sogar das Telefonieren vermeidet er. Alles Neue ist ihm suspekt, vor Fremden hat er Angst. Als nun seine Mutter beschließt, eine Urlaubsreise nach Mallorca zu unternehmen, sträubt er sich zuerst, doch bald überwiegt die Einsicht, dass es noch schlimmer wäre, alleine zu Hause zu bleiben. Für Elling, dessen größte Leidenschaft das "Arbeiterbladet" ist, aus dem er Bilder der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ausschneidet und sie sorgfältig in Sammelalben einklebt, beginnt die Herausforderung schon beim Einchecken am Flughafen. Aber nicht nur er, auch seine Umgebung muss einiges mitmachen, denn aus Unsicherheit benimmt Elling sich oft störrisch und rechthaberisch, abweisend und unnahbar gegenüber anderen Menschen. Der innere Monolog Ellings soll als Voice-over Einblicke in das von Ängsten und Kontrollverlust geprägte Seelenleben geben. Das Gefühl, neben sich zu stehen und die stressbedingte Entfremdung gegenüber sich selbst und gegenüber der Umwelt wird dann zuweilen recht anschaulich widergespiegelt. In "Nicht ohne meine Mutter" muss er logischerweise ohne den in seiner Eigenwilligkeit ebenbürtigen Partner Kjell Bjarne aus "Elling 1" auskommen. Aber auch seine ihn behütende Mutter ist in ihrer Normalität nicht der starke Part, der seinen unruhigen Geist und seine blühende Paranoia durchgehend im Zaum halten kann. Eva Isaksen hat versucht, Elling 2 nah an der Roman-Vorlage von Ingvar Ambjörnsen anzusiedeln, und vereinzelt kommt sie an die eindrucksvolle Direktheit der Elling-Bücher heran. Elling ist gehemmt und introvertiert, die agoraphoben Züge sind zweifelsohne vorhanden, um so erstaunter registriert man deswegen die langsame Anpassung an die Urlaubs-Umgebung. Den Veränderungen begegnet Elling oft mit Unwillen, aber das Neue löst nicht zwangsläufig Panikattacken oder Angstgefühle aus. Er wird als liebenswerter Tolpatsch, als erwachsenes Kind dargestellt, nicht als medizinischer Fall, sein Zustand als putzige Zerstreutheit, nicht als lebenseinengende Behinderung geschildert: humorvolle Wärme und heitere Beschwingtheit stehen in "Nicht ohne meine Mutter" im Vordergrund. Scheinbar hatte auch das Spanische Fremdenverkehrsamt maßgeblich Mitspracherecht an der Ausstattung mancher Szenen. Für Touristen ausgerichtete Flamenco-Abende müssen ungebrochen als Symbol südländischer Lebensfreude und Sinnlichkeit herhalten. Sicher wird hier nur eine Urlaubsrealität vieler Pauschalreisen beschrieben, und wenn Elling in einem hellsichtigen Moment die ganze Inszenierung, die falschen Sehnsüchte, die auf den Begriff Ferien geladen werden, entlarvt, hat er Recht mit seiner biederen Kulturkritik. In den Augen der anderen bleibt er jedoch immer nur der Außenseiter, der etwas anders tickt, dem man zwar rücksichtsvoll begegnet, der aber nicht ernst genommen wird. "Elling – Nicht ohne meine Mutter" haben in den ersten vier Wochen schon über 400 000 Norweger gesehen. Kein schlechter Schnitt für ein Land, das insgesamt nur 4,5 Millionen Einwohner hat. Der dritte Elling-Film, "Lieb mich morgen", wird übrigens noch in diesem Jahr wieder unter der Regie von Peter Naess gedreht und das filmische Porträt eines schwierigen Charakters vervollständigen.