Der kleinwüchsige Finbar McBride (kurz: Fin) arbeitet zusammen mit seinem Freund, Chef und Mentor Carl in dessen Laden für Spielzeugeisenbahnen, "The Golden Spike" in Hoboken. Dort repariert er in einem Hinterzimmer die Kleinstzüge, mitunter trifft man sich aber auch mit "Trainchasern", um deren Amateuraufnahmen teilweise berüchtigter (für Außenstehende aber meist langweilige) Eisenbahnen zu betrachten, diese Treffen stellen aber schon einen Sonderstatus dar, was Fins Kontakte mit der Außenwelt angeht. Auf seinem Weg von und zur Arbeit reichen ihm die nicht immer netten Kommentare von Passanten (am schlimmsten natürlich von Kindern, von denen er sich nicht wie andere Erwachsene schon durch die Körpergröße unterscheidet, und die bekanntlich recht grausam sein können).
Eines Tages kommt es zu einem surreal anmutenden Moment: Während Fin hinten in der Werkstatt aus Versehen eine Figur umkippt, fällt vorne im Laden Carl tot um. Allein könnte Fin den Laden wahrscheinlich gar nicht führen, Carl vermacht ihm wohl auch deshalb ein Haus im fernen Newfoundland, New Jersey. Natürlich ein Bahndepot.
Und so beginnt für Fin ein neues Leben, in Hoboken hatten sich Teile seiner Nachbarschaft immerhin an ihn gewöhnt, hier muß er nochmal von vorne anfangen. Zwei seiner ersten Kontakte in diesem recht verlassenen Niemandsland sind der dauerplappernde Kubaner Joe, der gleich neben Fins Haus den Imbißwagen seines kranken Vaters führt, und die ebenfalls etwas schrullige Malerin Olivia, die Fin gleich zweimal fast überfährt und sich mit einer Flasche Whiskey entschuldigt. Während Joe aktiv die Nähe von Fin und Olivia sucht und sich auch nicht so einfach abwimmeln lässt, lebt Olivia nach dem Tod ihres Sohnes und der daran zerbrochenen Ehe ähnlich zurückgezogen wie Fin. Fin bekommt fast nie Post und hat nicht mal ein Telefon, Olivia hat zwar sogar ein Handy, ignoriert aber die Anrufe ihres Ex beständig.
Dieses eigenartige Trio, das im Verlauf des Films natürlich zusammengeschweißt wird, erinnert ein wenig an die frühen Filme von Jim Jarmusch, am deutlichsten wahrscheinlich an das Ausbrecher-Trio aus Down by Law, wobei der dauerquasselnde Ausländer Joe in vieler Hinsicht an die Rolle Roberto Benignis anknüpfen kann. Auch in The Station Agent spielt menschliche Wärme, die sehr zögerlich nach außen tritt, eine große Rolle, und durch die geschlechtsspezifische Verlagerung des neuen Trios ergeben sich natürlich auch neue Ansatzpunkte, die hier aber noch nicht verraten werden sollen.
Der andere amerikanische Regisseur, an den The Station Agent ein wenig erinnert, ist David Lynch, und zwar nicht in seiner dunklen mysthischen Ausprägung (abgesehen vom seltsamen Tod Carls), sondern in der von Lynch immer wieder exakt getroffenen Atmosphäre von Kleinstädten wie Lumberton oder der Bevölkerung des amerikanischen Hinterlands wie in The Straight Story.
Somit ist Regieneuling Tom McCarthy in bester Gesellschaft, und daß The Station Agent in Sundance gleich die Preise für das beste Drehbuch, die beste Regie und die beste Darstellerin (Patricia Clarkson, mittlerweile durch Filme wie Pieces of April, Dogville, Far from Heaven, The Pledge und The Green Mile hinreichend bekannt) einheimste, spricht weiterhin Bände.
Doch über die Leistungen von McCarthy, Clarkson und Bobby Cannavale als Joe darf man keineswegs die Darstellung von Peter Dinklage als Eigenbrötler Finbar vergessen, der den Film wirklich zusammenhält. Mit 1,40 m Körpergröße kann man nicht jede Rolle ergattern, und bereits in Tom DiCillos Living in Oblivion (1994) durfte Dinklage seinem Unmut über diesen Zustand Luft machen, als er sich gegenüber Steve Buscemi, dem Regisseur im Film beschwerte:
"Why does my character have to be a dwarf? [ …]
Is that the only way you can make this a dream … put a dwarf in it?
Have you ever had a dream with a dwarf in it?
Do you know anyone who's had a dream with a dwarf in it?
NO! I don't even have dreams with dwarves in it.
The only place I see dwarves in dreams is in stupid movies like this."
Es ist ein Glücksfall für Dinklage und den Zuschauer, daß es Filme wie The Station Agent gibt, in denen er sein Talent zeigen kann. Neben jenen Traumsequenzen, wie man sie auch aus Lynchs Twin Peaks kennt, oder etwa den Munchkins aus dem von Lynch immer wieder gern zitierten Wizard of Oz (in Living in Oblivion wird Dinklages Figur Tito auch immer wieder Toto genannt) gibt es offensichtlich kaum Rollen für Darsteller wie Dinklage. Auf der Bühne darf er Toulouse-Lautrec darstellen, wen er in Elf spielt, ist ebenso offensichtlich, und auch seine Rolle in der in Deutschland zeitgleich mit The Station Agent anlaufenden Evolutions-Komödie Human Nature ist ebenso typecastet. Wenn Danny DeVito sogar den Zwilling von Arnold Schwarzenegger spielen darf, warum gibt es dann nicht mehr Rollen für Peter Dinklage? Das wird sich nach dem Kinobesuch so mancher schlichtweg verzauberter Zuschauer fragen …