Laura Tonke hatte ihr Leinwanddebüt in Ostkreuz, und dessen auf Ost-West-Themen abonnierter Regisseur Michael Klier holte sie für ihre erste Hauptrolle in einem Film mit größerem Budget wieder vor die Leinwand. Frau Tonke war zuletzt in Pigs will fly und Baader positiv aufgefallen, spielte auch mal in Winterschläfer von X-Filme-Gründer Tom Tykwer - und nun soll sie gleich einen ganzen Film tragen.
Ihr zur Seite steht Richy Müller, der mit lakonisch-minimalistischen Spiel auch nicht eben Fahrt in den Film bringt. Und der bekannteste Darsteller des Films, Daniel Brühl, wird in eine Nebenrolle abgeschoben, als schüchterner Polizist ist er ebenso fehlbesetzt wie unterfordert.
Dennoch funktioniert Farland über weite Strecken, denn wie der Titel schon andeutet, ist das Land die eigentliche Hauptfigur. Teilweise wie in einem Western inszeniert Klier jenes Niemandsland vor den Toren Berlins, wo neben protzigen Gewerbegebieten die Langeweile herrscht, wo der McDonald's wie der Saloon einer Geisterstadt erscheint, in den sich die wenigen Verbliebenen immer mal wieder verlaufen. Berühmt geworden ist die Mark Brandenburg auch durch die hohen Unfallstatistiken. Was soll man als junger Mensch tun in dieser Einöde? Natürlich in die nächste Disko fahren - und danach betrunken wieder zurück …
Ein Unfall bringt auch die beiden Hauptfiguren des Films zusammen - und zurück in die Gegend, die sie verlassen haben, um anderswo im Niemandsland der Neuen Bundesländer einen Job zu finden, als Paketbote oder "Messe-Mädchen".
Der inszenatorisch überzeugendste Moment des Film kommt gleich zu Beginn: Karla (Laura Tonke) bringt bei einer langweiligen Verlosung Werbegeschenke der Firma "Country Haus" (!) an den Mann. Etwa eine Schirmmütze, die sie dem Gewinner zuwirft. Völlig unerwartet wird in diese Bewegung hineingeschnitten, in die grobkörnigen Bilder eines nächtlichen Unfalls, das Auto überschlägt sich sehr viel öfter als die Mütze. Zwei der Insassen liegen danach im Koma, und so sieht Karla nach zwei Jahren ihre Schwester wieder, während Axel (Richy Müller) sich sogar 7 Jahre nicht um seinen Sohn gekümmert hatte, weshalb die Mutter ihn auch am liebsten loswerden will. Man stelle sich vor, der Junge erwacht und sieht ausgerechnet seinen Vater am Bett sitzen …
Nebenbei ist da noch Frank (Daniel Brühl), jener Polizist, der den Unfall mit aufgenommen hatte, und sofort bei seiner Exfreundin Karla anrief, um sie zurück in sein Leben zu bringen. Doch der "schönste Sommer seines Lebens" war für Karla vor allem Langeweile, mittlerweile flattert sie wie ein Schmetterling von einem Mann zum nächsten - und merkt kaum mehr die Unterschiede. Als Mann kann der eher fade Frank den Schmetterling Karla nicht "einfangen" und "einspinnen" - vielleicht aber als Polizist?
Wie tot es in diesem "Farland" ist, zeigen etwa die Zusammenkünfte des Polizisten Frank mit seinem ehemaligen Schulkameraden Jakob (Fabian Busch aus Liegen lernen), der mittlerweile "fürs Fernsehen" arbeitet - und Frank über den fall eines toten Wildschweins befragen darf - oder ihm in der Kuppelshow "Zwei Herzen" die Chance gibt, Karla zurückzugewinnen.
Doch diese interessiert sich längst für Julian (Thure Lindhardt aus Was nützt die Liebe in Gedanken), einen "Bewegungscoach für Blinde" - und natürlich für den älteren Alex, der am Bett nebenan auf das Erwachen seines Sohnes wartet.
Farland hat noch viele Facetten, man könnte darüber nachdenken, inwiefern sich der Titel auch auf die Landflucht, die Reisebüros oder das Land, in dem die Komapatienten weilen, beziehen könnte, aber bei aller Liebe zum Detail, bei den netten Symbolismen einer Glückskatze oder eines H&M-Plakats, der Film, der wie eine Ostversion eines Christian Petzold-Dramas (auch wegen Richy Müller) erscheint, bei der man noch Elemente aus Almodóvars Hable con ella hineingemischt hat - dieses seltsame Mixtur ist einfach genauso langweilig wie der Parkplatz des Waltersdorfer Ikea-Geschäfts um 7 Uhr in der Frühe. Vielleicht ist das sogar gewollt vom Regisseur, vielleicht soll man auch nicht mit den Charakteren mitfühlen, vielleicht soll es einem schnuppe sein, ob jetzt doch noch einer der beiden Patienten aufwacht oder ob es karla und Axel zusammenbringt - aber ich finde, auch wenn bei einem Christian Petzold-Film wie Wolfsburg auch nicht viel mehr passiert - dort ist man den ganzen Film lang als Zuschauer in den Film involviert, einen Almodóvar schaut man sich gerne noch ein zweites oder drittes Mal an - aber Farland bleibt einfach zu weit weg vom Zuschauer.