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Die Formel "cap ou pas cap?", existenzialistisch wie die Shakespearesche "to be or not to be", begleitet die Kinder fortan auf gemeinsamen Abenteuern durchs Leben, immer wieder bringen sie sich so durch absurde Mutproben in die Bredouille, werden des öfteren der Klasse verwiesen, nur im Büro des Schuldirektors auf den Fußboden zu pinkeln und dergleichen. Nachdem Juliens Mutter an Krebs stirbt, singt Sophie auf der Beerdigung "La vie en rose", Juliens Vater, der Sophie nie mochte, rutscht erst die Hand aus, dann holt er Sophie aus ihren ärmlichen Verhältnissen und macht sie zu einer Art Ziehschwester, die im gleichen Bett übernachtet. Schon zuvor erlebte man die beiden bei Doktorspielen, die natürlich auch durch die Spieldose motiviert waren, doch die Einstellung, in der die Kinder als Achtjährige gemeinsam ins Bett steigen und als 18jährige wieder aufwachen, ist natürlich ein cleverer Schachzug des Drehbuchs, der Problematik der Pubertät, die die Prämisse ad absurdum führen würde, zu umgehen. Es steht nie außer Frage, daß Julien und Sophie füreinander geschaffen sind, als Quasi-Geschwister und Freunde fürs Leben steht der Sex aber weniger als Tabu denn als unbezwingbares Problem zwischen ihnen. Wenn Sophie wegen einer Wette mit ihrer Unterwäsche über den Klamotten bei einer Prüfung erscheint, erschwert Julien unfairer Weise die Bedingungen, indem er in Sichtweite eine Klassenkameradin anbaggert. Als Sophie daraufhin als Pfand von ihm erwartet, daß er die Verführung vollzieht, ergibt dies einen erzwungenen Vertrauensbruch, der so schnell nicht wieder gekittet werden kann. Insbesondere für Sophie stellt sich fortan bei jedem Liebesbeweis Juliens die Frage, ob es sich nicht nur um das verselbstständigte Spiel handelt, ob die Emotionen echt sind. Und so zieht sich das Spiel trotz teilweise jahrelanger Trennung und unterschiedlichen Partnern auch durch das erwachsene Leben der zwei, bis durch immer hinterlistigere Wetten (eine davon verlangt etwa, bei der Hochzeit "nein" zu sagen) alles auf einen womöglich lebensgefährlichen Konflikt hinführt. Und da der Zuschauer schon vom Prolog her weiß, daß man sich nie wegen einer Wette mit Beton übergießen sollte, scheint das Ende vorprogrammiert. Regisseur Yann Samuell ist in seiner absurden Geschichte mit farbenfrohen Dekors und einer schwindelerregenden Kameraführung sicher in der (recht aktuellen) Tradition von Jean-Pierre Jeunets Le fabuleux destin d'Amélie Poulain oder - im Sinne einer explizit belgischen Nationalcinematographie - Jaco Van Dormaels Toto les heros zu sehen. Und so lebt Jeux d'enfants von seinen Ideen, die teilweise kaum zynischer oder sarkastischer sein könnten, sich aber dennoch einen romantischen Rahmen bewahren. Neben den hervorragenden Kinderdarstellern steht und fällt der Film natürlich mit seinen beiden jungen Hauptdarstellern, die hierzulande nahezu unbekannt sind. Guillaume Canet spielte bereits unter der Regie von Patrice Chéreau in Wer mich liebt, nimmt den Zug, Marion Cotillard fiel bisher allenfalls durch die Taxi-Trilogie auf, doch gerade die beiden internationalen Ausflüge der zwei sprechen Bände: So entschieden sich solche Visionäre wie Danny Boyle und Tim Burton für diese unbekannten Darsteller und gaben ihnen Rollen in The Beach respektive Big Fish. Und Marion Cotillard dreht momentan (wen wird es verwundern?) mit Jean-Pierre Jeunet - vielleicht wird sie also schon bald so bekannt sein wie Amélie … Definitiv feststehen dürfte aber, daß man von Yann Samuell noch viel hören wird … |
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