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Die mal wieder sehr komplex verschachtelte Handlung beginnt im Madrid des Jahres 1980: Enrique (Fele Martinéz, der schon in Hable con ella eine kleine Rolle hatte), auf der Suche nach dem Stoff für seinen vierten Film, bekommt überraschend Besuch von einem alten Schulfreund, den er nach siebzehn Jahren nicht mehr wiedererkennt. Ignacio, der jetzt den Künstlernamen ngel bevorzugt (Gael Garcia Bernal, bekannt aus Amores Perros und Y tu mamá también) hat auch gleich eine Novelle namens "Der Besuch" mitgebracht, die die gemeinsame Jugend der beiden in einer Klosterschule zu Beginn der 1960er schildert - aber auch das weitere Schicksal von Ignacio, der als drogensüchtige Sängerin Zahara durch die Dörfer tingelt. La mala educación erzählt diese beiden stark voneinander abhängigen Handlungsstränge, und verknüpft die drei Zeitebenen mit einer Fingerfertigkeit, die selbst für den spanischen Regiemeister beeindruckend ist. Die Zeit in der Klosterschule schildert unter anderem, wie Enrique und Ignacio die Liebe zum Kino - und zueinander - finden. Die glasklare Interpretation, die Chormitglied Ignacio dabei von Moon River (aus Breakfast at Tiffany's) gibt, ist den Kinoeintritt schon alleine wert - und nimmt schon die spätere Karriere als Sängerin vorweg. Aber Padre Manolo hat seine eigenen Pläne mit Ignacio, und der eifersüchtige Päderast verweist Enrique schließlich von der Schule und zerstört die junge Liebe. Wie Ignacio als Zahara später den Padre mit seinen Vergehen konfrontiert, das ist der gleichnamige "Besuch" aus der Novelle, und im Jahre 1980 sehen wir dann die Verfilmung jener Szenen, wobei ich nicht verraten werde, ob ngel die Rolle der Zahara für sich erringen kann, und in welcher Form Padre Manolo schließlich auch noch beim Film "mitmischt". Da Almodóvar auch mal in einer Klosterschule war und nun Regisseur ist, wird der arme Mann von Fragen über den autobiographischen Gehalt des Films überschüttet. Wenn es nach dem Vorspann von La mala educación eine Überblendung auf ein Filmplakat gibt, bei dem für Buch und Regie Enrique Goded zuständig ist, ist das viel interessanter als Anekdoten Almodóvars aus seiner Klosterschul-Zeit. Der Einsatz von Überblendungen durchzieht den Film übrigens, sei es der Film, der wie bei Streets of Fire direkt aus den Seiten des Manuskripts erscheint (die Schreibmaschine kommt erst später ins Spiel …), oder eine Zeitreise über eine zunächst sehr heruntergekommene Plakatwand, die wieder zur Makellosigkeit ihrer Jugend findet. Und wenn schließlich eine Blutspur nicht nur das Leben eines der Protagonisten sondern auch dessen Gesicht auf der Kinoleinwand zerteilt, so ist das ein ähnlich gekonnter Einsatz des gegensätzlichen Stilmittels, wie wir in anderer Ausführung auch im von Freudschen Elementen durchzogenen Psycho von Hitchcock finden. Nach seinen letzten drei Filmen kann sich Almodóvar wirklich mit den Größten seines Faches messen. Und all jene, die bedauernd dachten, der ehemalige Skandalfilmer habe sich von seinen ursprünglichen Elementen ganz abgekehrt - La mala educación ist kein weiterer "Frauenfilm" (auch wenn ein Film wie Todo Sobre mi Madre dieses Prädikat mit ungeahnter Brillanz sprengt) - hier gibt es nahezu gar keine Frauen, fast nur schwule Männer - die aber selbst homophobe Hinterwäldler zum Heulen bringen werden. Und wenn Javier Camáro, der fehlgeleitete Krankenpfleger aus Hable con ella, hier in blonder Perücke eine liebevolle Karikatur gibt oder Hauptdarsteller Gael Garcia Bernal (zuletzt als wenig überzeugender Schönling in El crimen del Padre Amaro, bald als junger Che Guevara in The Motorcycle Diaries) erstaunlicherweise als Frau noch besser aussieht als als Mann, dann hat Almodóvar endgültig bewiesen, wie man die Gendergrenzen überschreiten kann ohne dabei das Publikum vor den Kopf zu stoßen. |
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