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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

September 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Kleinruppin forever
D 2004

Filmplakat

Regie:
Carsten Fiebeler

Buch:
Sebastian Wehlings, Peer Klehmet, Alexander Kühne

Kamera:
Bernhard Jasper

Schnitt:
Antje Zynga

Darsteller:
Tobias Schenke (Tim / Ronnie), Anna Brüggemann (Jana), Michael Gwisdek (Erwin), Uwe Kockisch (Vater), Tino Mewes (René), Toni Snètberger (Niklas), Florian Panzner (Heiko Koslowski), Sebatian Kroehnert (Max), Tobias Kasimirowicz (Mathieu), Michael Kind (Koslowski), Heike Jonca (Mutter), Alexander Hörbe (Trainer)

103 Min.

Kleinruppin forever


Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Bremen, 1985. In den großen Tagen von Boris und Steffi träumt auch der erfolgsverwöhnte Jungtennisstar Tim (Tobias Schenke) von einer Profi-Karriere, das Stipendium für die Tennis-Akademie in Miami ist bereits ein gewaltiger Schritt in diese Richtung. Daß sein Adoptivvater ihn lieber in ein Architekturbüro schicken möchte, vermag Tims Zukunftsaussichten nur geringfügig einschränken.

Bei einem der damals üblichen Tagesausflügen mit der Schulklasse in die DDR lernt er zwar die schnucklige Jana (Anna Brüggemann) kennen, aber noch folgenschwerer ist sein Zusammentreffen mit Ronnie (ebenfalls Tobias Schenke, ohne Lacoste-Pulli und den aufdringlichen Popperscheitel), der ihm kurzerhand eine leere Flasche über den Kopf schlägt, um unter dem Namen seines verlorenen Zwillingsbruders (der Zuschauer erfuhr davon bereits im Prolog) die DDR verlassen zu können.

Diese Geschichte glaubt Tim natürlich keiner der Vopos, innerhalb kürzester Zeit gerät der verwöhnte Westbengel auf die Abschußlisten diverser Gruppen - von den Arbeitskollegen bis zum Stabsarzt und seinem Komitee. Einige dieser Szenen sind extrem witzig, wenn Tim etwa volltrunken einen DDR-Jugendclub verlässt und wie selbstverständlich nach einem Taxi ruft (bevor er umkippt), dürften selbst Zuschauer, die die Vorwendenzeit nicht aktiv miterlebt haben, auf ihre Kosten kommen.

Allerdings hat der Film mit seinem Hauptdarsteller auch sein größtes Hindernis. Tobias Schenke (bekannt aus Knallharte Jungs oder Der letzte Lude), der insbesondere zu Beginn des Films nicht eben sympathisch erscheint, und auch durch seine unvermeidliche Veränderung kein Land gewinnen kann, erscheint kaum die geeignete Besetzung für eine Doppelrolle, wenn der Film das Niveau von Good Bye, Lenin! anstrebt. Diese Inspiration hinter dem Filmprojekt scheint allzu offensichtlich, nicht nur erinnern das ostalgische DDR-Logo und der Filmtitel an jenen thematisch ähnlichen Kassenschlager des letzten Jahres, vorsichtshalber hat man mit Michael Gwisdek auch gleich einen der damaligen Schauspieler verpflichtet - und anstelle der Kubrick-Anspielungen im Film von Wolfgang Becker gibt es diesmal immerhin den Wagnerschen Walkürenritt, ganz ähnlich wie in Apocalypse Now.

An eigenständigen Story-Ideen gebricht es dem Film jedoch, die gesamte Prämisse scheint etwas an den Haaren herbeigezogen, und die große Liebe zwischen Tim und Jana hat leider keine wirkliche Motivation - die Figuren erscheinen teilweise so schablonenartig wie der Soundtrack des Films, der all jene Überbleibsel der Achtziger, die wir längst verdrängen wollten, wieder hervorzerrt. Forever Young von Alphaville ist da noch ein (durch den Filmtitel obligatorisches) Positivbeispiel, aber Showing Out von Mel & Kim wollte ich definitiv nie wieder hören - und wie man sich in ein (volljähriges!!!) Mädchen verlieben kann, das mit stolzer Brust Dreams are my Reality als ihren Lieblingssong deklariert, kann ich bei bestem Willen nicht nachvollziehen, da kann selbst die eingeschränkte Musikauswahl in der DDR nicht als Ausrede gelten.