Anzeige: |
Bepackt bis an die Ohren, erlebnishungrig und aufgekratzt ziehen die beiden aus auf dem vielgepriesenen Motorrad Albertos, um sich den Luxus eines Abenteuers zu gönnen, bevor die Pflichten des bürgerlichen Erwachsenenlebens ihrer harren. Ernesto war bis dahin ein wohlbehüteter Sproß aus gutem Hause, die Mama mag ihn kaum fortlassen, Eltern und Geschwisterschar füllen den breiten Bürgersteig vor dem Familienwohnsitz in Buenos Aires, um zuzusehen, wie das Motorrad mit Ernesto und Alberto samt schlenkernder Ladung unter Fehlzündungen um die Ecke biegt. Zunächst wirkt die Reise wie ein heiterer Ausflug. Die Sonne scheint, die Mama hat Stullen gemacht, zunächst führt der Weg zum Anwesen von Ernestos Freundin Chichina (Mía Maestro), das Reichtum und Gepflegtheit ausstrahlt, als läge es in der Schweiz. Chichina teilt jedoch seine Vorstellungen über die romantische Liebe keineswegs und teilt ihm unmißverständlich mit, sie gedenke nicht unbestimmte Zeit zu warten, bis der Herr seine Bildungsreise beendet hat — da nützt auch der fürsorgeheischende Welpe nichts, den Ernesto ihr schenkt, vorläufig an seiner statt. Je länger die Reise dauert, desto größere Entbehrungen verlangt sie den beiden Reisenden ab, desto größere Entbehrungen erleben sie auch bei den Menschen, denen sie begegnen — immer mit dem einen Unterschied, daß diese sich nicht auf einem selbstgewählten Abenteuertrip befinden, der nach Belieben zu Ende gehen kann. Ernesto und Alberto verlieren ihr Motorrad, andere haben ihre gesamte Habe verloren, an Großgrundbesitzer, gegen die sie sich nicht wehren können, mußten ihre Kinder bei Verwandten zurücklassen, weil sie sie nicht ernähren können, büßen ihre Gesundheit in Bergwerken ein. Begegnungen dieser Art wechseln sich ab mit fröhlichen, auch ins Klamaukhafte spielenden Episoden, etwa als Ernesto und Alberto vor einem Pulk wütender Männer flüchten müssen, weil Ernesto versucht hatte, einem von ihnen Hörner aufzusetzen. Getragen wird das alles von einem epischen Erzählstil, gleichmäßigem Tempo und durchgehend atemberaubendenden Landschaftsaufnahmen. Die letzte, entscheidende Station der Reise führt die beiden in eine Leprastation im Amazonasgebiet, wo sie als junge Ärzte eingeführt werden. Sie erleben die Selbstlosigkeit der Ärzte und Pflegerinnen, die Demut und Tapferkeit der Leprakranken, wie auch die strikte, verletzende Trennung in Gesunde und Kranke. Sie sind die ersten, die der Mißbilligung der pflegenden Nonnen trotzen und die Kranken ohne Gummihandschuhe berühren. An seinem Geburtstag springt Ernesto in den nächtlichen Fluß, um auf die andere Seite zu schwimmen und seine Feier, die er bei den Gesunden begann, mit den Kranken fortzusetzen. Nach dem Abschied von der Leprastation folgt ein Epilog auf dem Flughafen: Alberto hat als Biochemiker eine Forschungsstelle angenommen, Ernesto aber wird nicht zurückkehren. Gael García Bernal, derzeit auch in La Mala Educación zu sehen, ist nicht nur von umwerfender Attraktivität, sondern darüber hinaus auch ein guter Schauspieler. Seinen Ernesto "Che" Guevara spielt er als lebenshungrigen, neugierigen, aber auch schüchternen jungen Mann, dessen unschuldige Mimik mehr über seine Gefühle und Gedanken verrät als sein Schweigen verbirgt. Rodrigo de la Serna gibt den Kumpel und Freund als lebenslustigen, eher sorglosen Lebemann und Frauenheld, der aber dennoch zu Tiefgang fähig ist und seine Prioritäten richtig setzt. Die von Mía Maestro dargestellte Figur der Chichina ist hingegen für die Erzählung des Films zu unbedeutend, um eigene Akzente setzen zu können. Darüber hinaus lebt der Film auch von seinen Kleindarstellern: Menschen mit verwitterten, lebendigen Gesichtern, die mit hoher Konzentration agieren und den jeweiligen Szenen eine überzeugende Spannung und Dichte verleihen. So werden Legenden erzählt. |
|