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November 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Der neunte Tag
D 2004

Filmplakat

Regie:
Volker Schlöndorff

Buch:
Eberhard Görner, Andreas Pflüger

Vorlage:
Jean Bernard

Kamera:
Tomas Erhart

Schnitt:
Peter R. Adam

Musik:
Alfred Schnittke

Darsteller:
Ulrich Matthes (Abbé Henri Kremer), August Diehl (Untersturmführer Gebhardt), Bibiana Beglau (Marie Kremer), Germain Wagner (Roger Kremer), Hilmar Thate (Bishof Philippe), Jean-Paul Raths (Raymond Schmitt)

97 Min.

Kinostart:
11. November 2004

Der neunte Tag


Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Nach seinem größten Erfolg Die Blechtrommel (1979, Oscar als bester fremdsprachiger Film) ließ Regisseur Volker Schlöndorff für ein Jahrzehnt Deutschland hinter sich, um eher internationale Produktionen zu inszenieren (Un amour de Swann, 1983) oder sich in Amerika zu versuchen (Death of a Salesman, 1984). Die englischsprachige Max Frisch-Verfilmung Homo Faber (1991) zeugte bereits von Schlöndorffs Wunsch, zurückzukehren zu deutschen Themen, während er sich nach dem Fall der Mauer auch um die Rettung der Studios in Babelsberg bemühte. Seine komplette Rückkehr nach Deutschland wurde nach Der Unhold (1996) mit Die Stille nach dem Schuß (2002) vollzogen, einem Film, der einen bereits an ein Comeback des Regisseurs zur frühen Form glauben ließ, doch sein misslungener Beitrag zu Ten Minutes Older: The Cello nahm leider bereits voraus, daß sein neuester Film Der neunte Tag keinesfalls die Offenbarung wurde, die mancher erwartete.

Ulrich Matthes, der vor kurzem noch den Joseph Goebbels in Der Untergang spielte, brilliert hier als KZ-Häftling, der für neun Tage "Urlaub" vom KZ Dachau bekommt. Matthes' eingefallene Wangen erscheinen irgendwie authentischer und vor allem spannender als die auf Tagebüchern basierende Geschichte des katholischen Abbé Kremer, der den luxemburgischen Bischof überzeugen oder überreden soll, seinen Standpunkt zum Nationalsozialismus zu überdenken. Die Prämisse des Films ist ein neuntägiger Countdown, währenddessen sich Kremer täglich zwischen seiner Familie und dem karrieregeilen Luxemburger Gestapo-Chef Gebhardt (August Diehl) hin- und her gerissen fühlt und zu einer Gewissensentscheidung kommen muß. Dummerweise geht die Dramaturgie auf diesen Countdown so gut wie nicht ein, der titelgebende "neunte Tag" ist ein Antiklimax und auch die Rededuelle zwischen Matthes und Diehl ("Luxemburg ist kein Judasland" - "ohne Judas gäbe es keine Weltkirche") mögen allenfalls Theologen faszinieren.

Filmisch am interessantesten ist naturgemäß das Intro im KZ, wo man unter anderem erfährt, daß man im "Pfarrerblock" zu dritt sein "täglich Brot" teilen muß, während die "normalen" Häftlinge nur ein Viertelbrot bekommen. Dem Grauen eines Konzentrationslager kommt auch Schlöndorff nicht näher als seine internationalen Regiekollegen Spielberg oder Benigni, abgesehen von Theologen, Kennern der Vorlage oder Fans von Ulrich Matthes und August Diehl bietet der Film nichts, was man nicht anderswo schon ähnlich oder besser gesehen hat. Schlöndorffs Film mag vom Hype um Der Untergang profitieren, der einzige Grund, sich womöglich sogar beide Filme anzuschauen, erscheint mir ein Vergleich der zwei Rollen von Ulrich Matthes.