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Für ihre zweite Regiearbeit nach Le goût des autres (Dt.: Lust auf anderes) wurde Agnès Jaoui in Cannes mit der goldenen Palme für das "Beste Drehbuch" ausgezeichnet. Dies ist nicht die erste derartige Auszeichnung (u. a. 2 Césars) für Jaoui, die sich zunächst in den 1980ern als Darstellerin durchzusetzen versuchte, bevor sie sich zusammen mit Jean-Pierre Bacri als Drehbuch-Team (u.a. für die Alain Resnais-Filme Smoking / No Smoking und On connait la chanson / dt.: Das Leben ist ein Chanson) bevorzugt die Rollen auf den Leib schneiderte. So auch in Comme un image, wo Jaoui (die im kurz zuvor entstandenen Le rôle de sa vie noch eine eher unsympathische Frau spielte, mit der man sich nur schwer identifizieren konnte) die Parade-Hauptrolle der fast durchgehend moralisch einwandfreien Sylvia spielt, während Bacri wie schon in Le goût des autres den selbstsüchtigen Karrieristen gibt (der dadurch aber nur umso witziger wirkt). Die eigentliche Hauptfigur des Films, die auch als erste eingeführt wird, ist Lolita (Marilou Berry), die etwas übergewichtige und verunsicherte Tochter des von Bacri gespielten erfolgreichen Schriftstellers Etienne Cassard. Lolita kann sich nicht einmal bei einem Taxifahrer durchsetzen, und leidet unter anderem darunter, daß ihr Vater die kaum ältere gertenschlanke Karine geheiratet hat, die bei der Erziehung der drei- oder vierjährigen gemeinsamen Tochter vor allem auf eine gesunde (d. h.: sehr eingeschränkte) Ernährung bedacht ist. Daß Etienne weder seine Frau noch seine ältere Tochter wirklich beachtet, ist ein gemeinsames Problem der jungen Frauen, das sie keineswegs verbindet. Die Gesangslehrerin Sylvia (Jaoui) unterrichtet auch Lolita, und irgendwie passt es ihr und ihrem Gatten, dem aufstrebenden Autoren Pierre (Laurent Grevill), ganz gut ins Konzept, daß man über zunächst übersehene Anknüpfungspunkte plötzlich zu befreundeten Familien zusammenwächst, die ein gemeinsames Wochenende auf dem Land verbringen. Während Lolita ihre sympathische männliche Ersatzbegleitung dadurch entfremdet, daß sie noch ihrem vorherigen (Möchtegern-)Boyfriend hinterherheult, passt Pierre sich schnell dem allgegenwärtigen Opportunismus gegenüber dem übellaunigen und selbstgerechten Etienne an. Plötzlich mag er sogar Kaninchen und Schachspiele ziehen sich in die Länge, nachdem Pierre erfahren hat, daß Etienne ungern verliert … Wie Jaoui und Bacri die unterschiedlichsten Figuren und Erzählstränge zusammenknüpfen und das Publikum dabei gleichzeitig zum Nachdenken als auch zum Lachen bewegen, hat etwas von guten Woody-Allen-Filmen (wobei Jean-Pierre Bacri in seiner ganz normalen Abscheulichkeit oft noch witziger ist als Woody). Insbesondere beim zweiten Betrachten des Films bemerkt man, wie kunstvoll die einzelnen Veränderungen aufeinander abgestimmt sind, wie man Nuancen in der Charakterentwicklung zunächst nur unmerklich wahrnimmt. Auch die closure des Films, das Schließen des narrativen Kreises, ist so subtil, daß man sie vielleicht gar nicht bemerkt. Über all diese Stärken des Drehbuchs (und der Darsteller) fällt die ganz in den Dienst der Geschichte gestellte Inszenierung kaum mehr auf - deshalb auch der Drehbuch-, und nicht der Regie-Preis, aber in diesem Fall ist es eindeutig eine Stärke der Regisseurin, daß man sie kaum wahrnimmt. Andere zur Regie "aufgestiegene" Autoren wie Brian Helgeland (Sin Eater), Richard LaGravenese (Living out Loud) oder Danièle Thompson (Jet Lag) können sich daran nur ein Beispiel nehmen … |
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