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Dezember 2004
Thomas Vorwerk
für satt.org

Northern Star
D 2003

Filmplakat

Buch
und Regie:
Felix Randau

Kamera:
Roman Nowocien

Schnitt:
Gergana Voigt

Musik:
Stephan Gade

Darsteller:
Julia Hummer (Anke), Nic Romm (Ulf), Denis Moschitto (Hannes), Lena Stolze (Mutter), Peter Kurth (Pfarrer), Nele Jonca (Insa)

80 Min.

Kinostart:
9. Dezember 2004

Northern Star


Es geht das Gerücht, daß Jungdarstellerin Julia Hummer (Die innere Sicherheit) dem Schauspielberuf den Rücken kehren will und sich ganz auf ihre musikalische Karriere mit der eigenen Band "Sgt. Hummer" konzentrieren will. In gewisser Weise thematisiert Northern Star diese Entscheidung.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Der Film beginnt mit Schwarz-Weiß-Einstellungen. Ein kleines Mädchen sitzt mit einem Schäferhund zwischen Strandkörben und zählt ab, während der Vater mit einer Metaxa-Flasche in der Hand ins Wasser geht. Dazu gibt es erbauliche Klaviermusik, wie auch irgendwie norddeutsch klingende Musik den Film durchweg begleitet.

13 Jahre später zieht Anke (Julia Hummer) immer noch mit dem Hund ihres Vaters durch die friesischen Vororte (das Alter des Hundes wird nicht problematisiert) und schwänzt bevorzugt die Schule oder streitet mit ihrer Mutter herum, der sie den Freitod des Vaters anlastet. Anke ist selbstbewußt, aber auch rabiat und oft voller Hass, wie so oft verbirgt sich darunten aber eine sensible Seite - man kennt diese Art Heranwachsende ja aus anderen Filmen mit Julia Hummer …

Eine ähnlich rebellische junge Frau spielte vor zwanzig Jahren auch oft Lena Stolze (Das schreckliche Mädchen), deren Besetzung als Ankes Mutter eine der besten Ideen des Films zu sein scheint. Doch der nachzuvollziehende Generationskonflikt wird vom Film in den Hintergrund gedrängt, gerade jene Szene, in der Anke ihre Mutter schlägt, wird als vermeintlicher Action-Höhepunkt des Films dermaßen überinszeniert, daß sich die Bedeutung für Mutter und Tochter fast verliert.

Natürlich geht es auch wieder um das coming of age - von "junger Liebe" zu sprechen würde zu weit führen. Da gibt es zum einen Hannes (Denis Moschitto), der sich offensichtlich für Anke interessiert, der aber mit seiner Schüchternheit bei der forschen Anke aneckt und sich zu allem auch noch für eine Zukunft als Jockey engagiert, statt mit Anke die Sause zu machen. der 25jährige Ulf (Nic Romm), der auch gerade seinen Vater verloren hat und durch die Erbschaft nun finanziell unabhängig und bei den Mädchen beliebt wurde, erinnert den Zuschauer in seiner Art stark an Ankes Vater - zum Beispiel, wie er seine Flasche Metaxa hält. Anke, die ihren Vater über alle Maßen idealisiert und besipielsweise behauptet, jener hätte "nie getrunken", wiederholt mit Ulf sozusagen die Geschichte ihrer Eltern, denn das Boot (die Northern Star), mit dem der Vater damals nach Indien reisen wollte (Ankes Mutter war damals das Hindernis) befindet sich nun im Besitz von Ulf, und nun ist es Anke, die den Wunschtraum ihres Vaters erfüllen will und ihm - gemeinsam mit Ulf - folgen will …

Ein nicht geringer Hindernis-Grund ist Ankes friesisch-kühle Ablehnung romantischer Beziehungen. Insbesondere ein Wort, daß ihr der Autor und Regisseur immer wieder in den Mund legt, spricht sie mit einer solchen Abscheu aus, daß man als potentieller Liebhaber schnell die Lust verlieren könnte. Wenn Ulf sie erst mal "richtig kennenlernen" will, bevor er mit ihr "auf große Resie" gehen will, konstatiert Anke trocken "So mit ficken und so oder was?", und eine der zugegebenen witzigsten Szenen des Films ist die, wo sie eine Lehrerin mit der faktisch korrekten Aussage "Dein Mann fickt mit meiner Mutter" vor der versammelten Klasse konfrontiert.

Obwohl Anke fast in jeder Szene des Films zu sehen ist, bewahrt sich der Zuschauer die Distanz zu dem Mädchen, was auch mit der inzwischen allzu vertrauten Darstellung von Julia Hummer zusammenhängen mag. Wenn Anke schließlich ihren Hund vergiftet, um für Ulf und die See frei zu sein, zerbricht der Debüt-Langfilm des dffb-Studenten Randau wie ein buntes Kirchenfenster - wobei dieses Scheitern auch als Erfolg gedeutet werden kann.

Für Julia Hummer hingegen kann man Northern Star sicher nicht als Erfolg verbuchen. Wenn Anke nebenbei auch noch ihre Affinität zur Musik zeigt und "Sgt. Hummer"-Songs wie "Feels good, yeah" darbietet, hat man als Zuschauer den Eindruck, daß es nicht mehr um Schauspielkunst, sondern um Selbstdarstellung geht - und die angehende Darstellerin / Musikerin Hummer scheint ebensowenig wie die Filmfigur Anke ihren Weg gefunden zu haben - mit der erschreckenden Nebenwirkung, daß sich die Distanz, die der Zuschauer zu Anke aufgebaut hat, auch auf ihre Darstellerin überträgt, die mal eine der großen Hoffnungen des deutschen Kinos war, als Sängerin und Musikerin aber allenfalls wie ein schwacher Abklatsch von Juliana Hatfield oder Maria McKee wirkt. Schuster, bleib bei deinen Leisten …