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Januar 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Das Erbe
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Dieser plötzliche Selbstmord, der sich nur schwer mit dem fröhlichen Besuch vereinbaren lässt, bringt Christoffer zurück nach Dänemark. Er hatte das Land, die Familie und die Stahlfabrik, die seit Generationen von der Familie geführt wird, verlassen, um sein eigenes Leben zu führen - mit Erfolg, wie wir wissen, denn Maria hat auf Christoffers vierten Heiratsantrag endlich positiv reagiert und die Eröffnung eines zweiten Restaurants ist geplant.
Christoffers Mutter Annelise (Ghita Nørby) möchte aber, daß er die Firma übernimmt, wie es der Wunsch des Vaters gewesen wäre. Daß Ulrik (Lars Brygmann), der Mann von Christoffers Schwester Benedikte (Karina Skands), in der Zwischenzeit Christoffers Platz an der Seite des Vaters eingenommen hatte, bestärkt nur Christoffers geheime Übereinkunft mit Maria, daß die Familie auch ganz gut ohne ihn auskommt. Als er sich jedoch bei der Verlautbarung von Aksels Tod vor einer Betriebsversammlung mit den Hundertschaften von Stahlarbeitern konfrontiert sieht, die sich alle noch gut an ihn erinnern und teilweise auch ihre Hoffnungen auf seine Wiederkehr setzen, ignoriert er die Vereinbarung mit Maria und übernimmt die Firma, zur Freude seiner Mutter und des langjährigen Vorstandsmitglieds Niels, aber zum Ensetzen von Maria und Ulrik. Er tritt "Das Erbe" an …
Per Fly, hierzulande vielleicht am bekanntesten durch seinen Animationsfilm Prop & Berta (2000), hatte im selben Jahr auch seinen ersten Spielfilm gedreht, Baenken / Die Bank. Das Erbe ist der zweite Teil seiner „sozialrealistischen“ Trilogie über die dänische Gesellschaft, nach der Arbeiterklasse widmet er sich hier den alteingesessenen Industriefamilien. Der Vergleich mag hinken, aber auch Aki Kaurismäki hat früh in seinem Werk eine ähnliche Trilogie geschaffen, wobei sich Parallelen zu Kaurismäkis Hamlet goes Business aufdrängen. Weniger wegen der alteingesessenen Industrieellenfamilie, die dort Gummienten herstellt, als wegen der dort offensichtlichen Inspiration durch Shakespeare, die in Das Erbe zwar freier, aber umso überzeugender wirkt. Per Flys Film ist wie eine moderne Version vieler Motive aus dem Shakespearschen Œuvre. Es beginnt mit einer unschuldigen und fast jugendlichen Liebe á la Romeo und Julia, doch nachdem schon der Besuch des Vaters sich im Nachhinein wie eine Geistererscheinung interpretieren lässt, ist die Situation des unfreiwilligen Chefs wie eine Mischung aus Hamlet und Macbeth, mit der Mutter Annelise als Amalgam der starken Frauenfiguren Gertrude und Lady Macbeth. Es ist etwas faul im Staate Dänemark. In der Stahlfirma wird intrigiert wie bei Dallas, natürlich ist der Schwiegersohn Ulrik derjenige, der die Familie entzweit, Christoffer vernachlässigt seine Frau für die Firma, wird schließlich rasend eifersüchtig wie Othello und findet sich mit Verletzungen im Gesicht, die einer Blendung nicht unähnlich sind, in einem Wahn des King Lear ganz unten wieder. Hier wird nicht erstochen, duelliert und mit vergifteten Bechern angestossen, sondern man erfindet Gerüchte, appelliert an die Familienzusammengehörigkeit oder schickt die Leute in den vorzeitigen Ruhestand, erst kurz vor dem Untergang nähert man sich der Shakespearschen Tragweite der Einzelvergehen.
Doch Das Erbe beginnt gar nicht mit dem hier angerissenen Plot, sondern mit einer Rahmenhandlung, die fünf Jahre nach der glücklichen Zeit von Christoffer und Maria liegt. Christoffer ist wieder in Stockholm und beobachtet von einer Bank aus eine blonde Frau am Fenster einer Wohnung. Seiner Frau hat er schon telefonisch mitgeteilt, daß er eine Nacht länger bleibt …
Dieser Kunstgriff und die Auflösung der Rahmenhandlung machen aus Das Erbe einen Film, wie er selbst in der Qualität der dänischen Filmproduktionen heraussticht. Die Regie ist zurückhaltend, kein aufdringlicher Dogma-Stil, das kolossale Drehbuch wird voll unterstützt, und die Schauspielleistungen sind allesamt eines Shakespeare würdig. Ulrich Thomsen, den viele noch aus Das Fest kennen, übertrifft sich hier selbst, aber auch seine Partnerin, die junge Lisa Werlinder, durchläuft im Film eine Entwicklung, wie man sie drastischer, aber auch subtiler selten gesehen hat. Aus Julia wird Ophelia wird Cordelia. Ghita Nørby als böse Drahtzieherin, die nach außen die liebe Oma mimt, wurde wie Thomsen und Peter Steen bereits von der Dänischen Filmakademie für ihren Auftritt ausgezeichnet. Und selbst Nebendarsteller wie Lars Brygmann (Rembrandt) als Ulrik oder Jesper Christensen (Kleine Missgeschicke) als Bankmann Holger überzeugen. Der beste dänische Film seit Das Fest, vielleicht sogar noch besser.
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