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Juli 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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MadagascarNachdem abendfüllende Zeichentrickfilme der „herkömmlichen“ Herstellung in letzter Zeit nur noch selten ihre Produktionskosten eingespielt haben (zumindest solche aus den Vereinigten Staaten) und man auf den ersten Post-Disney-Pixar-Film wartet, ist Dreamworks nicht faul und schmeißt einen computeranimierten Film nach dem anderen heraus. Shrek 2 und A Shark Tale liegen kaum ein Jahr zurück, da kommt mit Madagascar ein Film, der zwar vom Regisseur von Antz (dem allerersten Computer-Animationsfilm aus dem Hause Dreamworks) inszeniert wurde, sich aber in vielerlei Hinsicht an die letzten Erfolgsfilme anlehnt. Wie Shrek ist Madagascar ein Buddy Movie, wobei das Traumpaar Axel und Marty im Verlauf des Films daran zu scheitern scheint, daß es sich bei den Zootieren, die es vom Central Park in die Wildnis schlägt, um ein Zebra und einen Löwen handelt. Und wenn man als Löwe nicht mehr pünktlich seine Steaks geliefert bekommt, bedarf es schon eines echten Freundes, der einem wie Marty verspricht: „Ich besorge Dir Dein Steak - und wenn ich mich dabei umbringe.“ Wohlgemerkt, ohne sich der tragischen Ironie dieser Worte bewusst zu sein. Trotz Computeranimation hat man sich bei Madagascar stilistisch eher an Zeichentrickfilmen orientiert, und die Figuren erinnern oft auch an den klassischen amerikanischen Zeichentrickfilm. Die Nilpferddame Gloria etwa scheint entweder einem Wasserballett von Esther Williams abkömmlich oder sie ist direkt aus Walt Disneys Fantasia übernommen. Beim Löwen Alex fallen neben der in der Wildnis immer mehr verzottelnden Mähne vor allem die Riesenpranken auf, die ein wenig an Torwarthandschuhe erinnern, und das Zebra Marty erinnert trotz des gestreiften Irokesen-Borstenschnitts ein wenig an den Esel aus Shrek (und wird ebenso von einem farbigen Komödianten, nämlich Chris Rock, gesprochen). Der vierte im Quartett der Hauptfiguren ist die Giraffe Melman, ein hypochondrischer Feigling, der vor allem für die Slapstickeinlagen (mit so einem Giraffenhals lässt sich viel anstellen) zuständig ist. Ähnlich wie bei A Shark Tale oder Ice Age hat man sich aber auch besonders viel Mühe mit vermeintlichen Nebenfiguren gemacht, so zum Beispiel mit einem sehr militärisch auftretenden Quartett von Pinguinen, das sich auf Gefängnisausbrüche und Hijacking spezialisiert hat. Oder den in Madagascar heimischen Lemuren, die natürlich mit französischem Akzent sprechen (darüber lacht man in den Staaten bereits seit Chuck Jones’ Pepe le Pew), und genau so süße Nervensägen sind wie der Esel bei Shrek - nur mit dem Unterschied, daß sie in Hundertschaften auftreten, und einem speziell in der deutschen Synchronfassung gehörig auf die Nerven gehen. Isse sich säähr gewohnungsbedurftige, solltene sisch lieberr darinne üben zu halten die Gosch! Einen genialen Casting-Coup kann die deutsche Synchronfassung aber doch bieten: die Sprecher der vier Pinguine, die ursprünglich aus einem anderen Projekt des Regisseurs Eric Darnell stammen und als Beatles-Stellvertreter (ähnlich der vier Geier in The Jungle Book) in einer rockumentary á la A Hard Day’s Night auftauchen sollten, das dann wenig überraschend am Problem der Musikrechte scheiterte. In der deutschen Version werden die Pinguine (von denen einer, Rico, eigentlich gar nicht spricht) von den deutschen HipHop-Stars der Fantastischen Vier synchronisiert. Wenn man jetzt noch bedenkt, daß die neueste Comic-Verfilmung Fantastic Four am selben Tag wie Madagascar in den deutschen Kinos anläuft, kann man über soviel Geistesgegenwärtigkeit nur staunen. Obwohl anthropomorphe Zootiere als Helden sich wohl eher an ein junges Publikum richten, macht Madagascar den älteren Kinobesuchern teilweise noch mehr Spaß. Insidejokes wie die Filmanspielung auf American Beauty, wenn es statt Rosenblättern Steaks auf den dahindrapierten Löwen regnet, oder die alte Dame, die sich mit ihrer Handtasche gegen die „große, böse Miezekatze“ (kein Tweety in Sicht) zur Wehr setzt, sind zwar auch für die Kleinen witzig, doch spätestens, wenn Melman Marty zum Geburtstag ein Thermometer schenkt, und erst, als das Geburtstagskind diesen Gegenstand bereits in den Mund genommen hat, erwähnt, daß es sich dabei um sein erstes Rektalthermometer handelt, braucht man dann doch einen Erwachsenen, der einem so ein schwieriges Wort erklärt, damit man den Witz am nächsten Tag im Kindergarten nachspielen kann … |
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