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September 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Stage BeautyNachdem man vor kurzem schon vergebens versucht hatte, aus Gwyneth Paltrow, der vermeintlichen Inspiration hinter Shakespeares Julia in Shakespeare in Love, eine Shakespeare zitierende Sylvia Plath zu machen, kommt nun ein erneuter Anlauf, den immensen Erfolg bei Kritik und Publikum, der Shakespeare in Love beschieden war, zu wiederholen. Und die Herangehensweise ist deutlich geschickter. Statt die Frau in die Rolle einer zudem noch tragisch von uns gegangenen Autorin zu zwängen, ist hier auch wieder die die unbekannte Inspiration hinter einer geschichtlich verbürgten kreativen Berühmtheit, und um den Bezug zu Shakespeare in Love zu verdeutlichen, nahm man erneut die Darstellerin der Julia, wenn auch Clare Danes, die Julia aus Baz Luhrmanns Romeo + Julia. Mit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat man zudem eine Periode gefunden, die ca. 50 Jahre nach Shakespeare noch den Anschluß findet und wieder in prachtvollen Kostümen schwelgen kann, statt wie bei Sylvia den späteren ernüchternden Fortschritt in Form des Gasherds zu proklamieren. Ned Kynaston, Samuel Pepys und King Charles II, die drei wohl bekanntesten historischen Figuren aus Stage Beauty, besitzen zwar allesamt nicht den Bekanntheitsgrad von William Shakespeare, und sind nur eingefleischten Anglisten bekannt, doch das hat Regisseur Richard Eyre auch nicht davon abgehalten, in seinem preisgekrönten Film Iris der ebenfalls nur Experten bekannten Dichterin Iris Murdoch ein Denkmal zu setzen. Die Geschichte von Stage Beauty ist zudem bereits erprobt, denn das US-amerikanische Theaterstück Compleat Female Stage Beauty wurde vom Autoren Jeffrey Hatcher höchstpersönlich für die Kinoleinwand adaptiert. Kommen wir also zur Handlung inkl. einer kleinen geschichtlichen Einordnung: Ned Kynaston (Billy Crudup, bekannt aus Almost Famous und Big Fish) war während der Zeit der Restauration (Wiedereinsetzung des englischen Königshauses ab 1660 - Krönung Charles II - nach der unter Cromwell gescheiterten Republik) laut Samuel Pepys sowohl der schönste Mann als auch die schönste Frau auf der englischen Theaterbühne - wobei Kynaston sich in der Welt von Stage Beauty ganz auf weibliche Rollen spezialisiert hat. Zu jener Zeit war das Auftreten weiblicher Darsteller auf öffentlichen Bühnen verboten, doch wenn Kynastons junge Garderobiere Maria (Clare Danes) ihrem Chef (und heimlichen Schwarm) durch den Theatervorhang bei der Darstellung der Ophelia zuschaut und jeden Satz leise mitspricht, ahnt man als Zuschauer bereits, daß an dieser Regel wie schon in Shakespeare in Love gerüttelt werden wird. Vorerst zieht Maria es noch vor, ihre Ophelia nur in schummerigen Kasernen in kaum legalen Vorführungen zu geben, doch im Verlauf des Films wird Charles II (Rupert Everett), angeregt durch seine Mätresse, das Gesetz ändern und damit gleichzeitig den Aufstieg Marias und den Fall Kynastons besiegeln - was natürlich die love story ziemlich ins Straucheln bringt. Neben den Schauwerten und der überzeugenden Besetzung (Tom Wilkinson gibt übrigens wie schon in Shakespeare in Love wieder den Theaterbesitzer) besticht Stage Beauty vor allem durch seine Geschichte, bei der insbesondere Genderfragen eine wichtige Rolle spielen. Kynaston spielt nicht nur Frauen auf der Bühne, auch in seinem Sexualleben übernimmt er bevorzugt die „Rolle der Frau“, ganz England scheint metrosexuell und auch die (vorzügliche) Darstellung des Königs Charles II zehrt natürlich von Rupert Everetts stets präsenter homoerotischen Note. Umso trauriger, daß der Film dann in seinen letzten zwanzig Minuten auf der Suche nach einem streng heterosexuellen Happy End alles mit Füssen tritt, was er zuvor so spielerisch zart angedeutet hat. Nach dem, was Kynaston in diesem Film alles erleiden musste (mitunter verlässt Stage Beauty klar den Rahmen einer blossen Komödie), hat er es einfach nicht verdient, dann auch noch von einer mitunter etwas blassen Clare Danes nach einem Dressurakt unter den Laken domestiziert zu werden. Ungeachtet der Qualitäten des größeren Teils des Films ist dieser Schluß ein Schritt zurück in reaktionäre Zeiten, der mit dem Rest des Films einfach nicht zu vereinbaren ist und ihm somit wortwörtlich das Genick bricht. Aber es bleibt trotzdem eine schöne Leiche, ein „Scheitern auf höchstem Niveau“. |
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