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Oktober 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Kiss Kiss, Bang BangDer Eröffnungsfilm des diesjährigen Fantasy Filmfest hat mal wieder so gut wie nichts mit Fantasy, Horror, Science Fiction oder sonstigem Übernatürlichem zu tun, und ist auch kein Thriller im herkömmlichen Sinn, sondern die mitunter recht ernst gemeinte Parodie einer hard-boiled detective story. Debütregisseur Shane Black hat sich vor knapp 20 Jahren schon mal ins Scheinwerferlicht gedrängt, als er 1986 kurz nach Studiumsabschluss, mit 23 Jahren, das Drehbuch zu Lethal Weapon schrieb - dem er den zweiten Teil der Serie folgen ließ. Zu seinen weiteren Drehbüchern zählen noch The Last Boy Scout und The Long Kiss Goodnight, und auch wenn die Qualität der filmischen Endprodukte variiert, ist diesen Geschichten doch ein sehr trockener Humor gepaart mit markigen Sprüchen gemein - und es ist offensichtlich, daß Black sich ganz dem Krimi verschrieben hat. In Kiss Kiss, Bang Bang, der nach Motiven des Romans Bodies are where you find them entstand, muss sich Harry Lockhart (Robert Downey jr.), ein Kleinganove, der auf der Flucht vor der Polizei bei einem Casting unterschlüpft - und prompt für Probeaufnahmen nach L. A. eingeladen wird, an der Vorgabe eines fiktiven Groschenromandetektivs namens Johnny Gossamer messen, um bei der Frau seiner Träume Eindruck zu schinden und ihr als vermeintlicher Privatdetektiv zur Seite zu stehen. Harmony Faith Lane (Michelle Monaghan) wollte Schauspielerin werden, weil sie bereits als Kind die Gossamer-Romane verschlang. Nun ist sie in L. A. so erfolglos wie viele andere, und ihre kleine Schwester soll unter mysteriösen Umständen Selbstmord begangen haben - ein Fall für Harry Lockhart, den sie auf seiner ersten Filmparty aufgabelt, und der in seinem abgerissenen Zustand auch ihrem Bild eines Privatdetektivs entspricht. Während Lockhart seine angenommene Privatschnüffler-Identität zunächst vor allem (erfolglos) dafür benutzt, um Harmony näher zu kommen, so sucht er schon bald Unterstützung bei einem echten Privatdetektiv, den er zufällig gleich am ersten Abend in L. A. kennengelernt hatte. Perry van Shrike (Val Kilmer), der vor allem unter seinem Spitznamen „Gay Perry“ bekannt ist, gibt ihm Nachhilfe. Der Fall, in den diese drei Personen verwickelt werden, ist zwar mit Hingabe zum Detail erdacht, für das Gelingen des Films aber etwa so wichtig wie der „Fall“ in der Chandler-Parodie The Big Lebowski von den Coen-Brüdern. Als sein eigener Erzähler, der nebenbei auch noch die Gepflogenheiten der Filmmetropole Los Angeles und typische Hollywood-Klischees anprangert und persifliert, führt Lockhart immer wieder mit ironischen Brechungen durch den Film - er hält das Filmbild schon mal an, um noch kurz etwas klarzustellen, entschuldigt sich für allzu klischierte Wendungen, oder vertieft die Erzählung durch kleine Zusätze. Wenn er etwa auf der Filmparty eine für den weiteren Verlauf des Films unerhebliche Frau kennenlernt, die sich als Gelegenheitsschauspielerin vorstellt, sehen wir diese für zwei kleine Einstellungen in einem ihrer Filme: als topless scream queen, der von einem nicht sehr überzeugenden Werwolf der Kopf abgeschlagen wird. Ähnlich witzige Gewaltexzesse kennt man ja auch aus Blacks frühen Drehbüchern - in Kiss Kiss, Bang Bang scheinen ihn unter anderem Chinatown und Dead Men Don’t Wear Plaid inspiriert zu haben - statt der Nase leidet ein anderer Körperteil von Harry, man wartet förmlich auf den passenden Spruch von Rigby Reardon: „This will never heal“ - und neben einer Inzestverwicklung gibt es auch noch eine neue Fassung jener Stelle, wo der vermeintliche Privatdetektiv seiner ohnmächtigen Mandantin gerade an die Brüste greift, als diese erwacht - köstlich der twist, den sich Black hier ausgedacht hat. Wie gesagt, die eigentliche Detektivgeschichte verliert man hier als Zuschauer schon mal aus den Augen, weil die coolen Sprüche und die liebenswerten Charaktere einen so in Anspruch nehmen. „Gay Perry“, der sich zunächst von den Implikationen seines Spitznamens distanziert (“I’m knee deep in pussy, I just like the name“), hat als Handy-Klingelton natürlich „I will survive“ und erklärt seine kleine „faggot gun“ mit folgenden Worten: „Only good for a couple of shots, and you have to drop it sooner or later“. Und auf der Filmparty unterhalten sich Harry und Harmony über andere Party-Teilnehmer, die sie passend beschreiben: „Native American Joe Pesci“, „Brazilian Billy Bob Thornton“ oder „Punk Rock Steven Seagal“ - Kiss Kiss, Bang Bang ist soo witzig (witziger als die letzten paar Carl Hiaasen und Elmore Leonard-Romane, die ich gelesen habe), daß man dem Film auch für die kleinen Vergehen verzeiht, für die sich Harry am Schluß des Films nicht explizit entschuldigt. Und wie liebevoll Shane Black mit seinen Vorbildern umgeht, sieht man nicht nur an Johnny Gossamer-Büchern, die man zwischendurch mal zu Gesicht bekommt, sondern auch an den Kapitelüberschriften, die allesamt von Werken von Raymond Chandler übernommen wurden: drei Romane, eine Kurzgeschichte und ein Essay - in der Reihenfolge im Film Trouble is my Business, The Lady in the Lake, The Little Sister, The Simple Art of Murder und Farewell, my Lovely. Lovely, indeed - die witzigere Version von Sin City. |
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