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Dezember 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
King KongAn der Schwelle der 1970er Jahre sah der damals neunjährige Peter Jackson im neuseeländischen Fernsehen mal den Klassiker King Kong von 1933 und entschied augenblicklich (so die von Jackson initiierte persönliche Legende), Regisseur zu werden. Drei Jahre später versuchte er sich bereits an einer frühen Remake-Version (Der Schal seiner Mutter spielte dabei eine wichtige Rolle), doch erst nach seinem Triumph mit der Lord of the Rings-Trilogie konnte er seinen Jugendtraum verwirklichen und seinen (nach wie vor) Lieblingsfilm als Special Effects Event auferstehen lassen. Jackson bleibt dabei erstaunlich nahe am Original, lässt die Geschichte sogar wieder 1933 spielen und übernimmt die klassische Drei-Akt-Struktur. Der erste Teil, der die Filmcrew des Regisseurs Carl Denham (Jack Black sieht zwar aus wie Peter Jackson, hat sich in seiner Rolle aber eher von P. T. Barnum und dem jungen Orson Welles inspirieren lassen) zu einer geheimnisvollen Insel führt, wurde auf eine knappe Stunde aufgeblasen und mit diversen teilweise ganz gelungenen Nebenfiguren bevölkert. Ganz nettes Detail, daß man die Schauspielerin „Fay“ nicht bekommen kann, weil sie gerade für RKO einen Film dreht … Beim zweiten Teil auf „Skull Island“ ist nicht nur der Horror-Einschlag Jackson offensichtlich (Design der Eingeborenen, Rieseninsekten und phallische Mollusken), auch zeigt sich hier, wie die ursprüngliche Story, die teilweise wie ein Rip-Off von Sir Arthur Conan Doyles The Lost World wirkt, dem heutigen Geschmack und den technischen Möglichkeiten angepasst wird. Der Stegosaurus und die Riesenschlange werden gestrichen, aus dem Allosaurus wird (natürlich!) ein T-Rex (das ist nicht die ganze Wahrheit, aber es soll ja im Kino auch noch ein paar Überraschungseffekte geben), und auch, wenn Jackson den Spielberg-Einfluß nicht ohne weiteres zugeben würde, gibt es nun auch noch eine Stampede mit Brontosauriern, unterstützt von den mittlerweile obligatorischen Raptoren (was allerdings in gewisser Weise zu einer Lachnummer wird, weil die Brontos sich ungefähr so gefährlich ausnehmen wie Windsor McCays Gertie und die Raptoren an dieser Stelle des Drehbuchs noch genügend Matrosen für spätere Todesfälle überlassen müssen …). Beim dritten Teil zurück in New York City gibt es zwar eine der schönsten Szenen des Films (Kong checkt am Broadway die Blondinen aus), doch das holprige Drehbuch wird am offensichtlichen und der gepumpte Glaserkitt namens Pathos kann alleine auch nicht alles zusammenfügen. Immerhin haben sich die Universal Studios, für die Jacksons King Kong der aufwendigste Film der nicht eben kurzen Studiogeschichte wurde, im Film einen kurzen Gastauftritt irgendwo zwischen Pepsodent, Coca Cola und Woolworth organisieren können. Auf die Frage nach Logikfehlern auf der Pressekonferenz konterte Jackson damit, daß Filmzuschauer, die sich bevorzugt mit solchen Details beschäftigen, am besten einen Film meiden sollten, der sich unter anderem mit ins 20. Jahrhundert überlebten Sauriern beschäftigt, doch mit solchen Aussagen führt er sein eigenes Prinzip ad absurdum, daß Fantasy dann am besten funktioniert, wenn man sie in der Wirklichkeit verankert. Doch wenden wir uns zur Abwechslung mal von Herrn Jackson ab, der meines Erachtens ein ganz fähiger Handwerker ist, aber andererseits auch einer der überschätztesten Regisseure der letzten Jahrzehnte, und kommen wir zum Hauptdarsteller des Films, der den Kinobesuch zu einem Erlebnis macht. Ich meine hiermit weder den Oscargewinner Adrian Brody, den Komödianten Jack Black oder den Kapitänsdarsteller Kretschmann - und auch nicht die ganz ansehnliche, aber zu perfekt wirkende Naomi Watts, sondern jenen Herrn, der schon beim Lord of the Rings der eigentliche Held war. Andy Serkis, den jeder als Gollum kennt, und den man zwischendurch auch mal mit seinem richtigen Gesicht in 13 going on 30 sehen konnte, spielt hier nicht nur den Schiffskoch Lumpy, sondern wurde mal wieder mit beispielsweise 130 Markierungspunkten auf dem Gesicht ausgestattet, um dem 7,50 m großen Silberrücken ein Gefühlsspektrum zu schenken, von dem Stop Motion-Pionier Willis H. O’Brien 1933 nur träumen konnte. Wer gesehen hat, wie Serkis sich bei der Pressekonferenz hinsetzte (Oberkörper nach vorne gebeugt, stützte er sich auf seinen Armen ab), weiß daß dieser Vollblutdarsteller sich für diese Rolle wortwörtlich zum Affen machte. Serkis sah sich Videos an, besuchte im örtlichen Zoo solange das Gorillagehege, bis eine eifersüchtige Gorilladame schon Serkis’ Frau mit einer Wasserflasche bewarf, als diese den Gatten besuchte, und zuguterletzt flog er sogar nach Ruanda, um auf den Spuren von Dian Fossey seine ganz persönlichen Gorillas im Nebel auf freier Wildbahn zu erleben. Sicher wird auch Jacksons Vision eine Rolle gespielt haben, aber das Schauspiel von Andy Serkis ist es, das aus King Kong nicht nur einen platten Monsterfilm macht, bei dem mal nicht Godzilla Tokyo plattwalzt, sondern ein riesiger Affe auf dem Empire State Building herumturnt. Serkis’ Kong hat schon viele dauerschreiende Jungfrauenopfer am Fusse seine Höhle entsorgt, aber die Vaudeville-Künstlerin und jonglierende Tänzerin Ann (Naomi Watts) wird für ihn mehr als nur ein Spielzeug, mit dem er spielen kann wie die Katze mit der sprichwörtlichen Maus. Ann will leben, sie sagt (bzw. schreit) ihm auch mal ihre Meinung, und sieht man mal von der Eistanznummer in New York und Anns Bemühungen, Kong das Wort „beautiful“ beizubringen, ab, so hat man es hier mit einer durchweg gelungenen tragischen Lovestory à la Beauty and the Beast zu tun, die weniger davon handelt, daß ein schwarzer Mega-Macho eine weiße Frau „haben“ will, sondern - und das zeichnet den Film aus - von einem nicht unnötig anthropomorphisierten Affen, der aber dennoch Emotionen zeigt, die sich durchaus mit Gollum, Shylock oder Hamlet messen können. Und solange Andy Serkis eine dieser Rollen verkörpert, ist das allemal einen Kino- oder Theaterbesuch wert. Jede Szene mit Kong (der erst nach einer von drei Stunden erstmals auftaucht), bei der er auch mal zur Ruhe kommt, sich ein paar Bambusstangen gönnt oder resigniert in Ketten einem Premierenpublikum vorgeführt wird, ist ein Erlebnis. Und einige der Actionsequenzen wie die T-Rex-Szene, für die Serkis zwar auch mal einem Stuntman gegenüber stand, größtenteils aber nur sein Gesicht auf bereits animierte Szenen aufgeklebt wurde, gehören ebenfalls zu den Höhepunkten des Kinojahres. Nur schade, daß diese auf drei Stunden Filmlänge verteilt wurden, und man jedesmal dann an den Fähigkeiten von Jackson, Walsh und Boyens zweifelt, wenn eine Szene kommt, wie sie nicht schon 1933 im Film zu sehen war. Ein sozialkritischer Theaterautor, der beim Tippen jeden Buchstaben einzeln ansagt und sich dann später beim Besuch eines seiner Stücke wundert, daß er seinerzeit wohl autobiographische Einsichten hatte, die er irgendwie unterdrückte - so etwas gehört (wie Monster) in B-Movies. Und nur, wer schon beim Lord of the Rings kein Problem mit bonbonfarbenen Sonnenuntergängen, Dauerbeschallung mit Schmuzak von Komponist Howard (diesmal der Nachname), unfreiwillige Passagierflugzeuge oder quasichirurgische Eingriffe mit Maschinengewehren hatte (mir ist bewusst, daß ich den Bogen etwas weit spanne), wird auch nach King Kong noch vom Irrglauben beseelt sein, Jackson sei ein guter Regisseur. Wer sich jedoch einfach nur auf den neuen Film mit Andy (in einer Doppelrolle) freut, kommt voll auf seine Kosten. |
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