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Dezember 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Match PointFür seine 35. Regiearbeit ließ Woody Allen seine Heimatstadt New York erstmals völlig hinter sich und drehte in London mit einer fast ausschließlich britischen Besetzung (darunter gern gesehene Aufsteiger wie Emily Mortimer aus Dear Frankie und Young Adam oder Ewen Bremner aus Trainspotting). Allen Berichten zufolge soll der Übergang für den am 1. Dezember 70 gewordenen Regisseur mit Leichtigkeit vonstatten gegangen sein. Einerseits ähnelt das London Allens seiner Sicht auf New York (nur mit anderen Restaurants, Museen, Kinos und Opernhäusern), andererseits ist aber schon die Geschichte so typisch britisch, daß es Allen fast gelingt, sich neu zu erfinden, und er überrascht sein Publikum (das die Erwartungen in letzter Zeit schon ein bißchen zurückgeschraubt hat) mit einem seiner besten Filme der letzten zwei Jahrzehnte: Match Point braucht den Vergleich mit Hannah and her Sisters (1986), Crimes and Misdemeanors (1990) oder Bullets over Broadway (1994) nicht zu scheuen. Chris Wilton (Jonathan Rhys Meyers aus Bend it like Beckham) ist ein junger Tennistrainer aus bescheidenem Umfeld, der sich einen Job in einem Londoner Eliteclub organisiert und über einen seiner Schüler (und insbesondere dessen Schwester) schon bald die besten Chancen hat, in eine angesehene Familie aufgenommen zu werden - und ganz nebenbei auch noch einen gutbezahlten Job in der Firma seines Schwiegervaters in spe (Brian Cox) zu bekommen. Ein aalglatter, aber durchaus nicht immer unsympathischer Emporkömmling, wie man ihn aus den Romanen von Thackeray oder Hardy kennt. Die Verbindung zur Literatur des 19. Jahrhunderts wird nebenbei auch noch durch eine Lektüre von Chris illustriert: Dostojewskis Crime and Punishment. Doch zu einem Zeitpunkt, als alles bereits zu seinen Gunsten läuft, ist es ausgerechnet die Verlobte seines neuen Freundes und Fast-Schwagers, die erfolglose amerikanische Schauspielerin Nola Rice (Scarlett Johansson, scharf wie lange nicht mehr), die Chris von seinem Weg abbringen könnte. Vielleicht, weil Nola ihm in ihren Aufstiegsplänen fast ebenbürtig scheint (nur die Schwiegermutter mag sie nicht, vergöttert aber Chris), knistert es seit dem ersten Treffen der beiden gewaltig, eine Affäre könnte für beide die Träume des gesellschaftlichen Aufstiegs zunichte machen - doch wer kann sich schon einer solchen Leidenschaft entziehen? Und damit beginnt es, kompliziert zu werden … Zu Beginn des Films sinniert Chris mal über den Zufall, und was für eine Rolle er im Leben spielt. Das erinnert teilweise an Allens letzten (zweigeteilten) Film Melinda & Melinda, doch in Match Point wird der unterschiedliche Ausgang einer Geschichte (Komödie / Tragödie?) anhand eines Netzrollers beim Tennis illustriert, der vor dem eigentlichen Film per freeze-frame „eingefroren“ wird. Wie Allen diese Problematik in einer späteren Einstellung ziemlich ähnlich wieder aufnimmt, dabei aber den Zuschauer geschickt an der Nase herumführt, gehört zu den (nicht wenigen) Geniestreichen dieses Films. Allen, der erst in letzter Zeit dazu übergegangen ist, zwischen seinen Komödien und den Bergman-Ausflügen nicht mehr streng zu trennen, spielt hier in manchen Momenten auf der Klaviatur der Gefühle, daß man sich nur wundert, warum wir von diesem Woody in letzter Zeit so wenig zu sehen bekamen. Dabei ist er so sophisticated, so komisch und so damn british, daß es eine Freude ist. Auf welcher Seite der Netzroller liegen bleibt, ob Match Point zynisch wie bei Thackeray, tragisch wie bei Hardy oder mit einem Happy End und einer Ehe wie bei Austen (obwohl dieser Vergleich etwas hinkt) endet, wird wahrscheinlich in vielen anderen Kritiken schon angedeutet, was dem Film aber ein wenig an Energie entzieht, weshalb ich davon absehe, ein wichtiges Thema des Films detailliert zu diskutieren. das mögen die Besucher nach dem Kino selbst tun, so wie man es auch aus unzähligen Filmen von Woody Allen kennt. |
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