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Januar 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Der ewige Gärtner
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Gleich die erste Szene des Films ist schon so eine Schlüsselszene (und in diesem Fall hat sie wirklich Bedeutung für den Film). Aus dem Dunkel eines Hangars treten zwei Menschen hervor, die erst langsam sichtbar werden: Der in Amerika stationierte englische Diplomat Justin Quayle (Ralph Fiennes) und seine jüngere Frau Tessa (Rachel Weisz). Wie einst Humphrey Bogart in Casablanca begleitet Quayle die Liebe seines Lebens zu einem Flugzeug, in das sie mit einem anderen Mann einsteigen wird. Und wenn Tessa gemeinsam mit ihrem Vertrauten und Kollegen Arnold Bluhm (Hubert Koundé) aufs Flugzeug zugehen, begreift der Zuschauer instinktiv, daß hier etwas nicht stimmt. Wie Bluhm Tessa beispielsweise das Gepäck abnimmt, wirkt einfach eine Spur „zu vertraut“, und spätestens wenn die Szene damit endet, daß das Licht übersteuert wird und Bluhm und Tessa im Licht verschwinden, so wie Quayle und Tessa sich zuvor aus dem Dunklen herauskristallisierten, ist klar: dies war eine Schlüsselszene!
Dummerweise ist Fernando Meirelles (Cidade de Deus / City of God) aber jemand, der für fast jede Szene seine inszenatorischen und filmstilistischen Ideen hat, und so folgt dann beispielsweise als nächstes der auch auf dem Soundtrack grell überhöhte Fund eines Autowracks mit verkanteter Kamera und extrem intensiven Farben. So wie Tessa ist auch ihr schwarzer Fahrer tot - Opfer eines Raubüberfalls im gefährlichen Hinterland von Kenia, wie man zunächst annimmt - doch dann stellt sich heraus, daß der tote Fahrer gar nicht Bluhm ist, sondern daß dieser vom Erdboden verschwunden ist - also vielleicht doch eher ein „Verbrechen aus Leidenschaft“?
Bei einer John LeCarré-Verfilmung ist es natürlich Ehrensache, daß dieser Mord nicht unaufgeklärt bleibt, und zum ersten Mal entwickelt Justin so etwas wie Ambition, um das Geheimnis aufzudecken. Gleichzeitig erzählt der Film aber auch die Geschichte von Justin und Tessas Kennenlernen bis hin zu Tessas Tod, bei Fernando Meirelles scheint eine nichtchronologische und verschachtelte Erzählkonstruktion wohl dazuzugehören. Da Tessa aber ihren ermittelnden Gatten auch noch nach ihrem Tod „begleitet“ (“you want me to come home, but I am home“), sei dieser Kunstgriff erstmal verziehen, im Endeffekt gelingt dem Drehbuch sogar eine Art „closure“ (zurück zu den ersten zwei Szenen), die durchaus etwas Meisterhaftes hat.
Leider gilt dies aber nicht für das ganze Drehbuch, denn um den eher zurückhaltenden Diplomaten nicht plötzlich zum Actionstar á la James Bond zu machen, haben sich LeCarré und/oder der Drehbuchautor entschieden, ihm gegen Ende des Films immer wieder „Tips“ zu geben, die ihm bei den Ermittlungen gegen den Pharmakonzern „Three Bees“ behilflich sind. Diese Tips kommen teilweise von langjährigen Freunden Quayles, die mittlerweile selbst keine blütenweiße Weste mehr haben, doch das Drehbuch gibt sich keine Mühe, diese Anwandlungen der (offenbar von einem schlechten Gewissen bedrückten?) Hintermänner auch nur ansatzweise nachvollziehbar zu machen.
Was der ansonsten sehr interessanten und auch spannenden Geschichte nicht wirklich weiterhilft, ebenso wie der Dauerbeschuss mit inszenatorischen und filmsprachlichen Kinkerlitzchen, die mitunter wichtige Themen des Films (wie Hungersnot und Aids) in den Hintergrund drängen.
Aus deutscher Sicht sehr schmeichelhaft ist es, daß der böse Pharmakonzern seinen Sitz in England hat, die wackeren Kämpfer dagegen aber ihr Hauptquartier in Berlin haben. Allerdings beschert einem dies auch einen filmischen Ausflug nach Berlin, der zunächst durch einen für den Film typischen Hubschrauberblick auf die Goldelse beginnt, um dann vor Augen zu führen, daß die Filmemacher entweder keinen Schimmer von der Topographie Berlins haben - oder sie den Film ganz dezent in die nahe Zukunft verlegt haben: Quayle kommt mit dem Zug in Berlin an - am Lehrter Stadtbahnhof (aka „Hauptbahnhof“), um von dort aus mit der S-Bahn zum Zoo zu fahren …
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