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April 2006 | Thomas Vorwerk für satt.org | |
Die Bären sind los
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Die etwa 12jährigen Kids aus der Juniormannschaft entsprachen ähnlich wie zuvor The Little Rascals oder Our Gang gängigen Typen: da gab es den übergewichtigen Engelberg, den bebrillten Statistiker Ogilvie, den Alibi-Schwarzen Ahmed oder Tanner, der die größte Fresse weit und breit hatte - und abgesehen davon, daß Ogilvie jetzt Prem heißt und ein Inder ist, sind sie alle wieder dabei. „Never change a winning team“, dachte man sich wohl, und die wenigen Ergänzungen fürs Team wie der Armenier Garo oder der Rollstuhlfahrer Matthew bringen die Multi-Kulti-Teamgeist-Geschichte nur genauer auf den Punkt.
Verlieren wir auch nicht viel Zeit mit dem neuen Trainer der Yankees, Greg Kinnear (angenehm subtil schmierig) oder dem neuen love interest Marcia Gay Harden (diesmal die alleinerziehende Mutter eines der Kinder), sondern kommen wir gleich zum Trainer mit dem am häufigsten entstellten Nachnamen: Morris Buttermaker wird von Billy Bob Thornton gespielt. Jack Warden oder Walter Matthau hatten auch nie etwas gegen ein mittägliches gepflegtes Bierchen, aber dieser Buttermaker trinkt aus seinen angeblich alkoholfreien Bierdosen soviel billigen Fusel, daß er mitunter schon mal kollabiert, und die Kinder so zu Straftaten animiert (Engelberg: „Ist er tot?“ - Prem: „Nein, betrunken.“ - Tanner: „Drauf geschissen! Ich nehm’ seine Brieftasche.“).
Und im Gegensatz zu den beim anderen Geschlecht nicht unbedingt erfolgreichen früheren Inkarnationen von Buttermaker ist Thornton stolz darauf, daß er für Sex „schon länger nicht mehr bezahlen mußte“. Und so jubeln unzählige junge Damen mit unglaubwürdigen Namen wie Paradise, Peaches, Cherry Pie oder Lolita jedesmal mit, wenn die Bären zu Punktspielen antreten.
Schon sehr früh im Film fühlte ich mich durch Billy Bob Thorntons Darstellung an dessen Bad Santa erinnert, und als ich später erfuhr, daß die Drehbuchautoren die selben sind, hat mich das nicht weiter verwundert.
In den ersten zwei Dritteln (später wird es natürlich etwas gefühlsduseliger) kann Thornton ganz gepflegt den Kinderschreck spielen, der sich von Lupus seinen Wodka mixen lässt, die kleineren und drahtigeren Kinder bei seinem anderen Job als Kammerjäger einsetzt, oder etwa besonders viel Mitgefühl zeigt, wenn er den Kindern kalte Getränke zum Spiel mitbringt - in der selben Kühlbox, aus der er gerade noch Tierkadaver entsorgt hat. Das verursachte im Kino mitunter langanhaltende Lachanfälle - gerade, weil das Ganze so trocken dargeboten wird. Wenn die Kinder etwa für ihn mit Pestiziden arbeiten und beginnen, sich gegenseitig abzuspritzen, lautet sein lapidarer Kommentar „Hört auf damit! Das Zeug ist teuer!“, und insbesondere, wenn er mit lebensnahen Vergleichen die Welt des Baseballs erklären will, wird es schnell zwerchfellerschütternd. „Mein alter Trainer hat immer gesagt, ein Unentschieden ist wie, wenn mein seine Schwester küsst - aber so, wie wir gespielt haben, ist es eine richtig scharfe Stiefschwester.“ Er bringt den Kindern sogar echte amerikanische Werte bei wie das Lügen: „Sag einfach zuhause, ihr hättet gewonnen. [ …] Ich hab’ das früher auch so gemacht: ‘Ich war das nicht mit der Stereoanlage’ - ‘Ich habe nicht geraucht’ - ‘Sie hat gesagt, sie wäre 18.’“
Wer jedoch glaubt, das Vergnügen des Films bestände nur darin, mitanzuschauen, wie Billy Bob Thornton einige Kinder verdirbt oder quält (“Okay, Engelberg, das ist ein Screwball. Du bleibst einfach stehen. Der sieht so aus, als käme er direkt auf Dich zu, dreht dann aber im letzten Moment ab …“ - „AUA!“), dem sei gesagt, daß er in den Bären durchaus gleichwertige Gegner hat, die wissen, wie man sich verteidigt: „Halten Sie lieber die Klappe, bevor ich jemandem erzähl’, sie hätten meinen Schniepel angefasst.“
Im Gegensatz zu Bad Santa (der in den USA 40 Mio. Dollar eingespielt haben soll) ist Bad News Bears aber eigentlich für Kinder konzipiert. Zumindest war das in den 1970ern so. Linklaters Film ist vor allem für solche Eltern gedacht, die sich mit den Kleinen zusammen auch gern Ren & Stimpy oder Spongebob anschauen. Der in Deutschland erstaunlicherweise „ab 6 Jahren“ freigegebene Film dürfte in Sachen Kraftausdrücke so ziemlich der stärkste Toback sein, der mir jemals in einem Kinderfilm untergekommen ist. Da sollen sich die Jungs von der gegnerischen Mannschaft ihre „beschissenen Pokale in den Arsch schieben“, da heißt ein Sommerkleid gleich „Nuttenkostüm“, und Engelberg zeigt sich besonders kreativ, wenn er fragt: „Wo ist hier die Toilette? Ich will ein paar durch die Brille boxen …“
Die Vermittlung von Unflätigkeiten scheint sogar zum (pädagogischen ?) Anliegen des Films zu gehören, denn Tanner traut kaum seinen Ohren, wenn Prem ihn „Pupsgesicht“ nennt. „Pupsgesicht? Grobi hat bessere Beleidigungen drauf als Du.“ Woraufhin er den Jüngeren unter seine Fittiche nimmt und ihm einige zeitgemäße Schimpfworte oder den unerlässlichen Stinkefinger beibringt.
Wer seinen Kindern diese Sprachschulung vorenthalten will, sollte nicht vergessen, daß die besten Sprüche sowieso innerhalb weniger Tage über den Schulhof verbreitet werden wird - also lieber mit den Kindern ins Kino - dann weiß man wenigstens, woher sie solche Ausdrücke haben.
Ein netter Spruch des Films, der mich an meine Erlebnisse mit der 70er Jahre-Amanda erinnert hat, war übrigens Prems Kommentar, als er Amanda erstmals beim Schlagen zuschaut: „Ich schätze, ich bin jetzt in der Pubertät.“ Woraufhin in der Pressevorführung, bei der auch Kinder willkommen waren, natürlich gleich die Frage kam: „Mami, was ist Pubertät?“ Dies erfährt man in Die Bären sind los nicht, aber einige der philosophischen Weisheiten können auch ein Kinderleben verbessern. Ich meine damit nicht „Vogelscheiße schmeckt manchmal wie Schokolade“, sondern eher: „Wir haben uns verbessert. Wir sind jetzt nicht mehr scheiße, sondern nur noch schlecht.“ Klassenziel erreicht.
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