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Mai 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Napoleon Dynamite
USA 2004

Plakat

Regie:
Jared Hess

Buch:
Jared Hess, Jerusha Hess

Kamera:
Munn Powell

Schnitt:
Jeremy Coon

Musik:
John Swihart

Title Design:
Pablo Ferro

Casting:
Jory Weitz

Costume Design:
Jerusha Hess

Wardrobe Supervisor, Additional Editing:
Julia Ruell

Darsteller:
Jon Heder (Napoleon Dynamite), Jon Gries (Uncle Rico), Aaron Ruell (Kip Dynamite), Efren Ramirez (Pedro), Tina Majorino (Deb), Shondrella Avery (LaFawnduh), Diedrich Bader (Rex Kwon Do), Haylie Duff (Summer), Trevor Snarr (Don), Emily Kennard (Trisha), Sandy Martin (Grandma), Julia Ruell (Girl on Bike)

86 Min.

Kinostart:
18. Mai 2006

Napoleon Dynamite

Napoleon Dynamite ist ein Phänomen, das in den Staaten bereits Kultstatus erreciht hat. Es kann längst nicht jeder nachvollziehen, warum das so ist, denn der Film erinnert ein wenig an frühe Filme von Helge Schneider. Mit minimalem Budget und unbekannten Darstellern wird hier eine Komödie auf den Zuschauer losgelassen, bei der für manche Betrachter die Dichte an „Rohrkrepierern“ enorm erscheint. Wer sich jedoch auf den Film und seinen besonderen Charme einlässt, kommt mitunter aus dem Lachen nicht mehr heraus. denn auch die etwas plumperen Scherze oder die bei den Dreharbeiten vielleicht nicht 100%ig gelungenen Einstellungen entwickeln eine Eigendynamik, die man bei dem Titelhelden mit dem illustren Namen bis kurz vor Schluß vermisst.

Filmszene
Filmszene
Filmszene
Filmszene

Der von Jon Heder gespielte Napoleon Dynamite wird von Andreas Busche im epd-Film beschrieben als jemand, der so „aussieht, als wäre er direkt aus einem Todd-Solondz-Film in Die Rache der Eierköpfe hineingestolpert.“ In der Tat, Napoleon könnte Toby Radloffs unehelicher Sohn sein, und wie der „Genuine Nerd“ aus American Splendor fahren Fans von Napoleon Dynamite womöglich auch mal „meilenweit“ für eine Vorstellung.

In einem Zustand, den man zunächst zwischen Gesichtslähmung und Drogenkonsum einordnet, kämpft sich Napoleon durch den (mitunter höllischen) Schulalltag. Die Bullys scheint er gar nicht mehr wahrzunehmen, seine Lieblingssportart dreht sich um einen an einem Mast mit Seil befestigten Ball (kann man auch sehr gut allein spielen, wenn es einen nicht kümmert, wie bescheuert man dabei aussieht), und im Unterricht zeichnet er furzende Einhörner und andere Fabelwesen - kurzum, er scheint in einer eigenen Welt zu leben, die sich jenseits des Schulhauses mit seinem chatsüchtigen 32jährigen Bruder (der zunächst wie ein Ausblick auf Napoleons Zukunft erscheint), seiner skurrilen Großmutter und einem Lama als Haustier fortführt. Dann treten drei neue Personen in das monotone Leben Napoleons ein: Sein größenwahnsinniger Onkel Rico, der zwischendurch mal auf die Jungs „aufpassen“ soll, aber trotz seiner unzähligen (und nicht immer erfolglosen) Geschäftsideen wie ein noch größerer Loser erscheint, der immer noch einem verpatzten Footballspiel seiner Jugend nachweint, das ihm seiner Ansicht nach beinahe Profistatus eingebracht hätte. In der Schule findet Napoleon mit dem frisch aus Mexiko eingewanderten Pedro einen Freund, und schließlich schließt sich dem seltsamen Duo auch noch die zögerliche Deb an und vervollständigt ein Triumvirat, das gemeinsam in der Wahl des Schulsprechers gegen den Britney Spears-Klon Summer (Hilary Duffs Schwester Haylie) antreten will, deren Wahlspruch „With me it will be Summer all year long“ aus Sicht des Zuschauers wie Dantes „Abandon all hope, ye who enter here“ klingt. Yesss!

Ähnlich wie Toby Radloff macht Napoleon Dynamite ausgerechnet beim MTV-Publikum den größten Eindruck. Der Musiksender hat den Film sogar mitproduziert, auch wenn man dies höchstens bei der mit Musik der White Stripes unterlegten (fast komplett essbaren) Titelsequenz ahnen würde. Selbst die zwei Tanzsequenzen zum Höhepunkt des Films haben mit MTV etwa so viel zu tun wie Niki Lauda mit Profi-Fußball und gerade deshalb wirkt Napoleons Auftritt zu Klängen von Jamiroquai so erfrischend. Gosh!

Laut dem deutschen Verleih UIP startet Napoleon Dynamite nur in Berlin, und obwohl immerhin eine Pressevorführung stattfand, zu der sogar spezifisches Zielpublikum von Schülerzeitungen eingeladen wurde, wirkt dieser von vornherein eingeschränkte Start wie eine Steuerabschreibeaktion. In der ersten Woche wird der Film einzig im UCI Friedrichshain gezeigt, noch dazu mit sehr unregelmäßigen Uhrzeiten (Do 20.00, Fr 23.00, Sa 17.30, So 15.00, Mo 17.30, Di 20.00, Mi 15.00). Wer aber die Chance hat, den Film zu sehen, sollte diese nutzen - und mir sogar glauben, daß Napoleon mit jedem Sehen besser wird. Ich habe ihn bisher dreimal gesehen. Awesome!

Pedros Wahlspruch wirkt wie die ultimative Werbung für den Film: „If you vote for me, all your wildest dreams will come true.“ Sweet!