Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Dezember 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Babel
USA 2006

Babel (R: Alejandro González Iñárritu)

Babel

USA 2006, Regie: Alejandro González Iñárritu, Buch: Guillermo Arriaga, Kamera: Rodrigo Prieto, Schnitt: Stephen Mirrione, Douglas Crise, Musik: Gustavo Santaolalla, mit Brad Pitt (Richard), Cate Blanchett (Susan), Adriana Barraza (Amelia), Rinko Kikuchi (Chieko), Gael García Bernal (Santiago), Said Tarchani (Ahmed), Boubker ait el Caid (Yussef), Elle Fanning (Debbie), Nathan Gamble (Mike), Koji Yakusho (Yasujiro), Robert Esquivel (Luis), 142 Min., Kinostart: 21. Dezember 2006

Während der US-amerikanische Tourist Richard (Brad Pitt) irgendwo im Hinterland Marokkos um medizinische Versorgung für seine angeschossene Frau Susan (Cate Blanchett) kämpft, erfahren die einem mexikanischen Kindermädchen überlassenen Kinder der zwei einen anderen Kulturschock, als sie mit der netten Amelia (Adriana Barraza), die keinen Ersatz zur Kinderbetreuung findet und zur Hochzeit ihres Neffen will, nur mal eben über die Grenze nach Mexiko fahren. Als sich Debbie (Elle Fanning) zunächst noch geschickter als die einheimischen Kinder beim Einfangen eines Huhnes anstellt, führt dann zur landesüblichen Enthauptung des Tieres …

Filmszene
Filmszene
Bilder © 2006 TOBIS Film
Filmszene
Filmszene

Dies sind nur zwei von vier sozusagen "weltumspannenden" Geschichten, die Alejandro González Iñárritu (Amores Perros, 21 Grams) in seinem neuen Film in üblicher Weise miteinander verwebt. Außerdem geht es noch um zwei marokkanische Ziegenhirten und eine taubstumme Volleyballspielerin in Tokyo, deren Vater mal als Großwildjäger ein Gewehr an einen ortskundigen Führer verschenkte …

Wie der Titel Babel unmissverständlich klarmacht, geht es in diesem Film um Kommunikationsdefizite. Teilweise aufgrund verschiedener Kulturkreise, teilweise wegen Generationsklüften. Kollege Benjamin Happel konstatierte im Münchner Kulturmagazin "Applaus", daß der Film die Universalsprache Film propagiere, ich persönlich würde als Universalsprache, die in diesem Film recht gut funktioniert, eher Schußwaffen herausheben. Was natürlich mein weitaus pessimistischeres Weltbild offenbart. Ich finde trotz einiger guter Ansatzpunkte den Streifen auch reichlich überschätzt und kann nicht wirklich nachvollziehen, inwiefern nach einem Regiepreis nun auch noch ein warmer Regen von Golden-Globe-Nominierungen gerechtfertigt sein soll. Durchweg gute Schauspielerleistungen (Iñárritus Casting zeugte schon in 21 Grams von gutem Marktverständnis) und einige wunderschöne Schnittkanten (die baumelnden Füsse!) können den schalen Geschmack, den das Ganze hinterlässt, nicht vergessen machen. Daß Iñárritu den Film seinen Kindern gewidmet hat ("the brightest lights in the darkest nights") wirkt genauso berechnend wie der ganze Multi-Kulti-Schnickschnack, der in Paul Haggis' Crash weitaus weniger bemüht wirkte, und dafür damals ohne Durchhänger überzeugte und unterhielt.

Iñárritu will immer gleich die GROSSEN weltbewegenden Themen bewältigen, benutzt dafür aber seit drei Filmen die selben narrativen Kniffe, die immer ausgelutschter wirken. Wer Abweichungen von einer chronologischen Erzählstruktur heutzutage noch erwähnenswert findet, hat offenbar zehn Jahre Filmgeschichte verpasst. Was in Amores Perros noch neu war und funktionierte, kaschierte in 21 Grams allenfalls die dünne Story und wirkt bei Babel nur noch wie ein überflüssiger Manierismus und die "Handschrift" eines Regisseurs, der ähnlich wie Oliver Stone zwar geniale Details über seine Filme streut, aber dabei den Blick für das Gesamtwerk zu verlieren scheint.

Während Stone einem dabei mit seiner provokanten Art auf die Nerven gehen kann, ist Iñárritu wiederum so politisch korrekt, daß einem übel werden könnte. Vielleicht sollten die beiden mal einen Film zusammen drehen. Der könnte tatsächlich nicht nur interessant, sondern regelrecht gut werden. Wahrscheinlich würde sich das Problem aber eher potenzieren …



Nachtrag: Interessant finde ich übrigens, wie der Trailer zum Film erklärt, was nicht erklärt werden muß ("Häh? Babel? Watt soll dat denn heißen?"), dabei aber durchweg ausschließlich englische Dialoge vorführt. Ähnlich wie der Umstand, daß zwei der fünf für den Golden Globe als bester "fremdsprachiger" (d. h. nicht-englisch-sprachiger) Film nominierten Filme von Regisseuren namens Mel Gibson und Clint Eastwood stammen, sagt das für mich etwas darüber aus, welche Art von "Artenvielfalt" man in Hollywood gutheißt. Klingonische und aramäische Filme haben ein größeres Kassenpotential als beispielsweise französische - und die in den USA bekanntesten Franzosen sind wahrscheinlich Inspector Clouseau und Pepe Le Pew.