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Dezember 2006
Thomas Vorwerk
für satt.org

Lichter der Vorstadt
Finnland / Deutschland 2006

Lichter der Vorstadt (R: Aki Kaurismäki)

Lichter der Vorstadt

Originaltitel: Laitakaupungin valot , Finnland / Deutschland 2006, Regie, Buch, Schnitt: Aki Kaurismäki, Kamera: Timo Salminen, Musik: Melrose, mit Janne Hyytiäinen (Koistinen), Maria Järvenhelmi (Mirja), Maria Heiskanen (Aila), Ilkka Koivula (Lindholm), Matti Onnismaa, Sulevi Peltola, Kati Outinen, 80 Min., Kinostart: 21. Dezember 2006

Filmszene
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Aki Kaurismäki ist auch so ein Regisseur, der seine Filme gerne in Trilogien aufteilt. Lichter der Vorstadt ist der dritte Film der "Trilogie der Verlierer", und auf Koistinen (Janne Hyytiäinen, falls das jemand aussprechen kann) passt diese Beschreibung noch besser als zuletzt auf den "Mann ohne Vergangenheit". Koistinen arbeitet als Wachmann, ist aber selbst inmitten seiner Kollegen ein Außenseiter, dessen Freizeit sich auf einen Wodka oder eine Bratwurst nach dem Dienst zu beschränken scheint. Wenn er mal den Mut aufbringt, in einer Bar eine Prostituierte anzusprechen, wird er abgewimmelt und bekommt als Bonus auch noch eine Tür ins Gesicht - natürlich die von der Herrentoilette.

Als sich in dieser traurigen Lebenssituation mal eine unterkühlte blonde Schönheit an seinen Tisch setzt (obwohl doch noch andere Tische frei sind), glaubt er an ein Wunder, an die Liebe, will am liebsten sofort heiraten. Doch Mirja (Maria Järvenheimi) will erstmal, daß man sich "besser kennenlernt" - und in einer Welt der Verlierer bedeutet das keine leidenschaftliche Liebesnacht, sondern erstmal einen gemeinsamen Kinobesuch.

Für seinen blonden Engel würde Koistinen alles machen, und wie die überprädestinierte Definition aus einem Filmlexikon ist Mirja die femme fatale, die ihn im Auftrag eines Gangsterbosses ausnutzt. Beim gereiften Kaurismäki bedeutet dies kein Mordkomplott für die Double Indemnity, sondern einen gemeinsamen (vermeintlich romantischen) "Bummel" durch die Shopping Mall, die Koistinen bewacht - und kurz darauf folgt ein Einbruch. In einem fehlgeleiteten Liebesopfer schützt Koistinen noch die Identität Mirja, als ihm längst klar sein müsste, daß er ihr nichts bedeutet. Und gemeinsam mit der Frau aus der Bratwurstbude erlebt Koistinen nach weiteren Torturen dann ein Filmende, das nur ein ewiger Romantiker als Happy End bezeichnen würde.

Obwohl Lichter der Vorstadt im Gegensatz zu den letzten Kaurismäki-Filmen mit 80 Minuten Laufzeit wieder recht kurz geraten ist, wirkt der Film durch seinen fast apathischen "Helden", der wie ein vergilbtes Blatt im Rinnstein mehr dahintreibt als wirklich zu handeln, ziemlich lang(atmig). Die präzise und elliptische Erzählweise mag manchen Zuschauer überfordern, für Kaurismäki-Fans wirkt sie aber wie eine über Jahrzehnte weiterentwickelte Perfektion. Die jungen Darsteller wirken für einen Kaurismäki-Film überdurchschnittlich attraktiv (Kati Outinen hat diesmal nur einen Kurzauftritt als Supermarktkassiererin), doch ebenso wie das moderne Lichtermeer der konsumorientierten Vorstadt Helsinkis und die durchdachte, aber natürlich minimalistische Farbdramaturgie (Edward Hopper lässt grüßen) verstärken diese Details nur noch die Ausweglosigkeit des Kaurismäki'schen Universums, wobei selbst der Verzicht auf einen Tod des Helden wie in frühen Werken des Finnen keine wirkliche Hoffnung aufkommen lassen. Aber irgendwie ist selbst dies noch romantisch.