Leroy
(R: Armin Völckers)
Deutschland 2007, Buch: Armin Völckers, Kamera: Tony Mitchell, Schnitt: Marty Schenk, Musik: Ali N. Askin, mit Alain Morel (Leroy), Anna Hausburg (Eva), Constantin von Jascheroff (Dimitrios), Günther Kaufmann (Leroys Vater), Eva Mannschott (Leroys Mutter), Paul Maaß (Hanno), Cay Helmich (Evas Mutter), Conrad F. Geier (Evas Vater), Amel Taci (Achmed), Wilfried Hochholdinger (Jerome), Afrob (Blacula), Julius Jellinek (Horst), Andreas Schulz (Siegfried), Raphael Wildt (Wotan), Kerem Can (Zoltan), Doris Hoffman (Antonia), Oktay Özdemir (Achmeds Bruder), 89 Min., Kinostart: 27. September 2007
Jim Croce’ Text impliziert es zwar nicht direkt, aber wer beim Filmtitel durch den Song Bad, Bad Leroy Brown gleich an eine naheliegende Hautfarbe denkt, liegt beim Titelhelden Leroy (Alain Morel) durchaus richtig. Doch die Bösen sind hier die hellhäutigen Glatzen, die die fünfköpfige Bruderschaft seiner neuen Freundin Eva (Nachname Braune, was plötzlich wieder ganz andere Assoziationen hervorruft) ausmachen.
Eine politisch unkorrekte Komödie über Rassismus, das hört sich zunächst vielversprechend an, und wer auf youtube den als “Visitenkarte” erstellten viertelstündigen Kurzfilm Leroy räumt auf schaut, bei dem bereits ein Großteil von Stab und Besetzung versammelt war, der wird auch einiges an Potential erkennen. Doch wie man etwa bei Peter Thorwarts Was nicht passt, wird passend gemacht erlebt hat, eignet sich nicht jeder ganz originelle Kurzfilm zum Aufblasen auf Spielfilmformat, und so gibt es in Leroy für jede gute Idee und jeden herzhaften Lacher im Gegenzug ein oder zwei blöde Kalauer oder Gags, die das Niveau empfindlich herunterziehen.
Schon zu Beginn des Films entwickelte ich schnell die Theorie, daß das Humorniveau eher einem Kinderfilm angemessen sei, daß der Film womöglich überzeugender gewirkt hätte, wenn die Protagonisten statt in die 9. oder 10. Klasse in die 3. oder 4. gegangen wären. Die Liebesgeschichte zwischen Eva und Leroy entwickelt sich wie im Kinderprogramm, Witze über einen Heliumanzug (Furzgeräusche) oder die unvermeidbare Piepsstimme danach könnten aus einem Sams-Film stammen, wo der Vater ja auch “Erfinder” war. Ach nein, die Sams-Filme waren da noch verhältnismäßig subtiler und ausgefeilter.
Das “Romeo & Julia im Jungle Fever”-Thema hat gute Ansätze wie die im Kern sehr ähnlichen Eltern, doch selbst hier glaubt man wohl nicht daran, daß das Publikum diese Ansätze erkennt, und bereitet das Ganze überdeutlich als Split Screen auf. Papa A sagt was … einundzwanzig, zweiundzwanzig … Papa B sagt dasselbe. Very lustig.
Man lacht in dem Film auf jeden Fall oft, selbst der running gag der sich gegenseitig ohrfeigenden Skinheads funktioniert selbst nach einer Stunde noch. Doch leider gibt es viel zu viele nicht wirklich witzige Stellen, die einfach schon aus dem Drehbuch hätten herausgeschnitten werden sollen, denn auch, wenn ich kein Problem darin sehe, über das Problem Rassismus zu lachen, kann man so einen Film nicht wie ein Axel Stein-Special konzipieren.
Es folgen einige Beispiele für Szenen, die überflüssig waren, als Einstünder hätte Leroy mich vielleicht sogar überzeugt.
Constantin von Jascheroff, dessen Filme Falscher Bekenner und Jagdhunde beide von mir zum “Film des Monats” erklärt wurden (seine Tatort-Auftritte kenne ich nicht), ist hier ein Pausenclown mit Schmiss bei den Frauen, der schon in seiner ersten Szene an einem Fenster aus ungeklärten Gründen mehrfach ein Playboy-Centerfold übers Fensterbrett hängen lässt. Das bringt nichts für die Charakterisierung, ist nicht witzig, und fürs Drücken der Pausentaste bei der DVD reicht es auch nicht aus.
Kurz darauf sind wir dann in der Schule, und der Direktor und ein Lehrer (die beide nie wieder auftauchen) unterhalten sich im Flur darüber, weshalb der Deutschunterricht bei Frau Soundso wohl immer so mucksmäuschenstill sei. Es folgt die Aufklärung: Kamerafahrt um den Rücken der besagten Lehrerin, die gerade ihr Oberteil löst. Die Jungs sind begeistert, die Mädchen schauen leidvoll vergleichend am eigenen Körper herab, die Lehrerin zieht sich wieder an und wiederholt nochmal den Standard-Deal: “So, und jetzt seid ihr 45 Minuten ruhig”. Was offenbar auch klappt, und die männlichen Schüler sind sich einig: “Deutschunterricht würde ich nie schwänzen.”
Dann die Szene mit dem Halbgriechen Dimitrios (von Jascheroff), der mit speziellem “Enthaarungspflaster für Griechen” die nicht sehr überzeugend von der Make-Up-Crew angebrachte Brustbehaarung entfernt, und dann mithilfe eines Pflasters, das in der Mitte ein Loch hat, das etwa dem Durchschnitt einer Banane entspricht, eine ganz besondere Körperpartie enthaaren soll. Ist nicht soo witzig und vor allem einfach blödsinnig (insbesondere, wenn man es dann auch noch anwendet, ohne die Unterhose auszuziehen).
Dann die aus Bayern stammende Freundin Antonia des palästinensischen Leroy-Kumpels Achmed, die erst ihrem Freund zuliebe ein Kopftuch anlegt, und dann, als dieser das so blödsinnig wie der Zuschauer findet, “Gottsakra …”-mäßig losflucht. Geht doch nichts über derart plumpe Klischees.
Wo im Kurzfilm noch Bruno Ganz veräppelt wurde, kommt nun die Tiernummer in Anlehnung an den noch unwitzigeren und politisch allzu korrekten Film von Dany Levy. Skinhead “Erbse”* hat seinem Boxer “Goebbels” den Hitlergruß beigebracht. Und wenn der Köter mal nicht pariert, gibt’s im Drohton den Satz “Willst Du den totalen Krieg?”
*ich habe zu Schulzeiten mal ein von Enzensberger inspiriertes Kurzfilmdrehbuch mit Titel “Survival of the Fascist” geschrieben, in dem Glatzköpfe und Erbsen auch eine Rolle spielten, aber das nur am Rande …
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Dann, durchaus erheiternd, aber ohne jeden Bezug zur Handlung (außer, daß man ein Foto von Leroy und Eva für das weitere Drehbuch braucht): Beim Spaziergang taucht plötzlich ein seltsam kostümierter Herr auf, der seinen Lebensunterhalt mit dem Spruch “Ich bin Pole, ich mach Polaroid” verdient.
Eines der wenigen Beispiele für einen überflüssigen Scherz, der wirklich gut funktioniert, ist eine Szene vor dem Haus der Nazifamilie, wo einigen Passanten in der Nachsynchronisierung in den Mund gelegt wird: “Na, bei Braunes geht’s ja wieder rund!” - “Guck da nicht so hin.”
Natürlich gehen die Skinheads teilweise auf die Sonderschule und formulieren schriftliche Befehle auf Art von “Rummkugel klatschn”, und nachdem dann bei einer Schlägerei plötzlich alles so aussieht, als sei man unvermittelt in American History X gelandet, ist beim Arzt wieder alles in Ordnung, und Onkel Doktor bekommt auch einen Scherz zugeschustert: “Statistisch gesehen gibt es in Familien mit einem oder mehreren Skinheads mehr Knochenbrüche - das ist wie Passivrauchen.”
Völlig absurd sind auch die im bekannten Berliner Plattenladen Scratch Records gedrehten Szenen, in denen erstaunlicherweise durchweg nur “Afrodeutsche” den Laden frequentieren, der mit einer beachtlichen Frisur verzierte Verkäufer aus dem Stand über Blaxploitation und Malcolm X doziert, und dann auch noch Hiphopper Afrob als “Blacula” seinen Gastauftritt hat. Hier sollen sich auch farbige Arbeitslose treffen, das nennt sich dann “Schwartz IV”.
Aber am peinlichsten ist fast noch die eigentlich ganz schnucklige Eva, die in ihrer grenzenlosen Naivität (“Oh, du bist soo schlau!”) schnell extrem nervt, und bei deren Charakterisierung wohl die weitestgehende Offenbarung ist, daß sie als Klingelton für ihr Handy “Bacardi Feeling” gewählt hat.
Apropos Musik: Der Film endet wie schon der Kurzfilm mit einem Video der Band “Skin’Sync featuring LeRoy Black”, der dann wenig überraschend das ganze versöhnlich (und somit langweilig und unrealistisch) ausklingen lässt.
Ich denke, meine Beispiele haben recht gut verdeutlicht, warum man bei Leroy als Zuschauer durchaus gut unterhalten werden kann, der Film aber trotz seiner teilweise guten Absichten eigentlich so überflüssig ist wie eine Bomberjacke.