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Oktober 2007
Thomas Vorwerk
für satt.org


Geliebte Jane (R: Julian Jarrold)
Geliebte Jane (R: Julian Jarrold)
Geliebte Jane (R: Julian Jarrold)
Bilder © 2007 Concorde Filmverleih GmbH
Geliebte Jane (R: Julian Jarrold)
Geliebte Jane (R: Julian Jarrold)

Geliebte Jane
(R: Julian Jarrold)

Becoming Jane, UK / Irland 2007, Buch: Sarah Williams, Kevin Hood, Kamera: Eigil Bryld, Schnitt: Emma E. Hickox, Musik: Adrian Johnston, mit Anne Hathaway (Jane Austen), James McAvoy (Tom Lefroy), Julie Walters (Mrs. Austen), James Cromwell (Rev Austen), Maggie Smith (Lady Gresham), Joe Anderson (Henry Austen), Lucy Cohu (Eliza De Feuillide), Laurence Fox (Mr. Wisley), Ian Richardson (Judge Langlois), Anna Maxwell Martin (Cassandra Austen), Leo Bill (John Warren), Jessica Ashworth (Lucy Lefroy), Eleanor Methven (Mrs. Lefroy), Michael James Ford (Mr. Lefroy), Tom Vaughan-Lawlor (Robert Fowle), Helen McCrory (Mrs. Radcliffe), Kinostart: 3. Oktober 2007

Ein Biopic über Jane Austen war wahrscheinlich auf lange Sicht unvermeidbar, und daß man als Basis neben den Briefen von Jane Austen ein Buch genommen hat, das ich jetzt mal als Sachbuch und nicht reine Fiktion begreife, ist durchaus lobenswert. Jon Spences Becoming Jane Austen (in der deutschsprachigen Ausgabe jetzt ebenfalls mit dem geringfügig zweideutigen Titel Geliebte Jane versehen, weil “Jane werden” auf Deutsch einfach nicht so zieht) soll die tatsächliche Begegnung Austens mit Tom Lefroy und dessen Benennung seiner späteren Tochter mit dem im englischsprachigen Raum nicht unbedingt exotischen Mädchennamen Jane derart weitergesponnen haben, daß Mr. Lefroy nunmehr eine größere Rolle im Leben von Miss Austen gespielt haben könnte - und natürlich auch umgekehrt.

Als Anglist oder auch nur halbwegs an der englischen Literatur interessierter passiert es einem ja schon mal, daß man in einer Kinovorstellung von Baz Luhrmanns Romeo + Juliet den tränenerstickten Klageruf eines jungen Mädchens vernimmt, das ganz verstört ist, daß sie niemand warnte, daß Romeo / Leo diesen Film nicht überleben wird. Nun wird es auch diesmal einige Zuschauer geben, die zwar einige Austen-Verfilmungen gesehen haben, die aber bis zuletzt auf ein Happy End, auf eine glückliche Heirat von Frau Austen (die nicht rein zufällig unter ihrem Mädchennamen oder der Bezeichnung “Miss Austen” bekannt wurde) hoffen. Und erschreckenderweise scheint der Film auch ganz auf diese Klientel zugeschnitten zu sein. Daß man nicht schon vorher weiß, wie der Film ausgeht, ist ja durchaus ein Vorteil für den Betrachter, aber daß die Filmemacher sich wie in so vielen Biopics über Schriftsteller dafür entscheiden, statt einer ausgeprägten Fantasie des Künstlers unzählige Details späterer Werke bereits im Umfeld der Person (also hier Jane Austens) anzusiedeln, ist mitunter etwas ärgerlich, weil ziemlich plump. Man entschied sich für das wahrscheinlich bekannteste Werk Austens, Pride & Prejudice, und abgesehen davon, daß die Autorin nur eine Schwester hat (statt der vier der Heldin), findet man nicht nur den Plot größtenteils wieder, sondern auch die drei Männer, die hier um eine (Nase rümpf) “Romanautorin” aus verarmten Verhältnissen buhlen, kann man ohne Probleme auf die männlichen Hauptfiguren von Pride & Prejudice übertragen. Hinzu kommt die ganz ähnlich bissige Ehe zwischen Mr. und Mrs. Austen (wobei eine Bettszene so nie bei Austen beschrieben worden wäre) und eine Cousine (im Buch Schwester), die bedauerlich schlecht musiziert. Tom Lefroy ist also sozusagen die Blaupause für Mr. Darcy, das Ganze ein retro-eingepasstes biographisches Remake, bei dem nur das Ende etwas anders (und aus meiner Sicht sogar befriedigender) ausgefallen ist. Was dann vor allem die Frage aufwirft, wozu man den Film überhaupt gedreht habe? Natürlich, zum Geld verdienen …

Verglichen mit der letzten Filmversion von Pride & Prejudice bleibt immerhin zu konstatieren, daß Anne Hathaway eine Spur erträglicher ist als Keira Knightley, und James McAvoy (The Last King of Scotland, demnächst in Starter for Ten und Atonement) durchaus überzeugender ist als der Mr. Darcy damals. Julie Walters und James Cromwell nehmen es durchaus mit Brenda Blethyn und Donald Sutherland auf, aber warum der Film ein “besonders wertvoll” bekommen hat, ist mir ein kleines Rätsel. Unterhaltsam, durchaus, aber nicht einmal “besonders” unterhaltsam - dafür kommt einem einfach zu vieles extrem bekannt vor. Und daß man einer der wichtigsten englischsprachigen Autorinnen hiermit nahezu ihre gesamte Fantasie aberkennt, ist ein kleiner Skandal. Ich warte schon mit Grausen auf das (nicht einmal unwahrscheinliche) Biopic über J. K. Rowling, bei dem die Begleitumstände ihrer bekanntesten Kreation sich ähnlich wie in Shadow of a Vampire (der ja immerhin noch ironisch gemeint war) als übernatürlich erklären werden. Mittellose Autorin sitzt im Zug, als sie aus dem Fenster einen bebrillten Jungen auf einem Besen daherfliegen sieht … Oder ein Film über Robert Louis Stevenson, dessen Halbbruder (ein Apotheker) an Persönlichkeitsspaltung litt. Oder Christopher Marlowe, der einen Pakt mit seinem reichen Vermieter einging. Rubbish! Die einzigen Autoren, die keine Fantasie zu scheinen haben, sind Drehbuchautoren, die nichts besseres zu tun haben als Biopics zu verbrechen. Und statt diesen Film anzusehen, sollte man lieber ein Buch von Jane Austen lesen, dessen Verfilmung man noch nicht vorher gesehen hat.