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Oktober 2005 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
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Stolz und Vorurteil
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Nun haben es sich die Filmemacher mit der weiblichen Hauptdarstellerin auch nicht eben leicht gemacht. Keira Knightley, nach Bend it like Beckham, Pirates of the Caribbean und King Arthur zum vermeintlichen Superstar aufgestiegen, kann mit ihrer mageren Filmographie diesen Status nicht annähernd rechtfertigen, und nach ein paar Flops wie King Arthur könnte sie als einer von vielen Winona Ryder-Klons sehr schnell wieder in Vergessenheit geraten. In Pride & Prejudice ist sie ganz die Jane Austen-Heldin: gutaussehend, intelligent, ein bißchen frech und jederzeit Herrin der Lage - doch allzu viel Gutmenschentum, hier gepaart mit einem immer wieder aufblitzenden perfekten Lächeln, kann auch auf den Magen schlagen. Doch selbst diesen überzeugendsten Kritikpunkt an der neuen P&P-Version kann ich nur solange gelten lassen, bis man als Zuschauer durchdringt, daß dies auch ein geschickt eingesetztes Stilmittel ist, denn in der zweiten Hälfte des Films vergeht Miss Bennet nicht nur das Lächeln, ganz subtil und eher unterbewusst verändert der Film auch seinen zuvor eher außenstehenden Standpunkt.
So wie Regisseur Wright (zuvor nur für einige TV-Miniserien verantwortlich) in der ersten Hälfte des Films neben den unvermeidbaren Landschaftsaufnahmen erstmals das Augenmerk auf den hier erstmals wahrnehmbaren Standesunterschied konzentriert und in langen Kameraeinstellungen etwa das längst nicht perfekte Heim der Bennets vorstellt, in dem auch mal ein feistes Hausschwein durch den Flur traben kann, erscheint die zweite Hälfte des Films teilweise traumhaft-illusorisch - durchaus eine Entsprechung der romantischen Innenwelt der Liz Bennet, bei der auch die Sexualität ihre Entsprechung findet, wenn Miss Bennet beim Besuch des Landhauses von Mr. Bennet dessen luxoriöse Sammlung von Marmorstatuen bestaunt, die größtenteils aus nackten Leibern besteht. Immer wieder findet man in diesem Film solche Momente, die den Subtext des Romans subtil unterstützen - neben den erwähnten (Quasi-)Traumsequenzen etwa bei jener Ballszene, bei der Miss Bennet und Mr. Darcy erstmals miteinander tanzen - und auch der filmische Apparat die Welt um sie vergisst: Die anderen Ballbesucher werden wie ihre Tonspur schlichtweg ausgeblendet. Für solche Einfälle ist man dem Film ebenso dankbar wie für die verstärkte Bemühung, Mutter Bennet nicht wie eine Witzfigur darzustellen, und die vier Schwestern zur Abwechslung mal zu individualisieren, was in den wenigsten Verfilmungen, die sich nicht viel mehr Zeit als zwei Stunden nahmen, geschah - man denke nur an Bride & Prejudice, wo zwei Schwestern einfach zu einer wurden, um der Gefahr zu entgehen.
In meinen (nicht durch Colin Firth verwässerten) Augen ist Joe Wrights Film die bisher beste Ausrede, nicht den Roman zu lesen, und dennoch einen guten Einblick darüber zu bekommen, was das Wesen von Jane Austens Pride and Prejudice ausmacht. Und performances von Darstellern wie Donald Sutherland (Mr. Bennet) oder Tom Hollander (Mr. Collins) können die Romanfiguren wirklich zum Leben erwecken.
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