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© 2008 PROKINO Filmverleih GmbH
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Schmetterling
und
Taucherglocke
(R: Julian Schnabel)
Originaltitel: Le scaphandre et le papillon, Frankreich / USA 2007, Buch: Ronald Harwood, Lit. Vorlage: Jean-Dominique Bauby, Kamera: Janusz Kaminski, Schnitt: Juliette Welfing, Musik: Paul Cantelon, Titel- und Vorspann-Design, Music Supervisor: Julian Schnabel, mit Mathieu Amalric (Jean-Dominique Bauby), Emmanuelle Seigner (Céline Desmoulins), Marie-Josée Croze (Henriette Durand), Anne Consigny (Claude Medibil), Max von Sydow (Papinou), Marina Hands (Joséphine), Patrick Cesnais (Doctor Lepage), Niels Arestrup (Pierre Roussin), Olatz Lopez Garmendia (Marie Lopez), Jean-Pierre Cassel (Ikonenverkäufer in Lourdes), Isaach De Bankolé (Laurent), Emma de Caunes (Kaiserin Eugénie), 112 Min., Kinostart: 27. März 2008
Die ersten zwei Filme des New Yorker Malers Julian Schnabel (Basquiat, Before Night Falls) gingen am großen Publikum noch ziemlich vorbei, doch nun hat er mit einem Biopic, das die üblichen Fallstricke dieses Genres umgeht, und dabei etwas völlig Neues entstehen lässt, das geballte Wohlwollen der Kritik und Kollegen hinter sich (Regiepreis in Cannes und bei den Golden Globes), und ungeachtet der wenig publikumsträchtigen Prämisse sollte dieser Film auch viele Leute ins Kino locken, denn es ist einer dieser wenigen Filme, die das Medium wirklich nutzen.
Bisher haben sich Filme, die eine subjektive Kamera nutzen, vor allem durch die Bewegtheit dieser ausgezeichnet. Man denke an The Lady in the Lake oder meinethalben auch die Ego-Shooter-Passage gegen Ende von Doom. Le scaphandre et le papillon behält den Standpunkt seiner Hauptfigur erstaunlich lange bei, insbesondere, wenn man bedenkt, dass der ehemalige Chefredakteur der französischen Elle, Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric), nach einem massiven Schlaganfall in einem Krankenhausbett erwacht. Nachdem der Vorspann noch eine schwarze Leinwand zu den Klängen von La mer zeigte, öffnet Bauby nun die Augen, und aus den zunächst noch sehr verschwommenen Eindrücken kristallisiert sich für den Zuschauer, der in einer ähnlich passiven Beobachtungshaltung verharrt, die veränderte Lebenssituation des nahezu komplett gelähmten 43jährigen, eines Opfers des “Locked-In-Syndroms”. Er soll mit den Augen einer kleinen Lampe folgen, man fragt ihn nach seinem Namen, und der Zuschauer hört auch Baubys “geistige” Stimme, nur der behandelnde Arzt nicht. Experten informieren ihn über seinen Zustand, eine Logopädin und Physiotherapeutin nehmen sich seiner an, und über einen langwierigen Prozess kann er durch das Blinzeln mit dem Augenlid (und einem eigens nach Häufigkeit sortierten Alphabet) wieder mit der Außenwelt kommunizieren. Während das Telefon an seinem Krankenbett mehr Verdruss als Freude verbreitet, entschließt er sich schließlich dazu, ein Buch zu schreiben. Über Nacht denkt er sich die Sätze von ungefähr zwei, drei Seiten aus und lernt sie auswendig, am Tage “diktiert” er sie dann seiner Lektorin - und so entsteht auch das Buch, dass Julian Schnabel hier verfilmte, und dessen Veröffentlichung Bauby nur ganz knapp noch erlebte.
Das hört sich nach einem extrem depressiven Film an, doch Le scaphandre et le papillon ist nicht nur filmisch ein Erlebnis, sondern schafft es auch, obwohl der Film vor allem die Lebensphase nach dem Schlaganfall beschreibt, in Flashback und Traumvisionen die Innenwelt eines Menschen zu visualisieren, der nach außen hin ein völlig anderes Bild vermittelt. Doch erst zusammen ergeben diese beiden Teilaspekte den Menschen Bauby wieder. Bei herkömmlichen Biopics (das hört sich ja jetzt wie eine Waschmittelreklame an, herrjeh!) geht es zumeist immer nur um die äußerlichen Aspekte, um Karriere, Erfolge, Liebschaften, doch daurch, dass hier ein autobiographischer Text verfilmt wurde, der sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht nur an Karrierehighlights abarbeitet, gibt diese Momentaufnahme eines Lebens ein weitaus abgerundeteres Bild ab als die Aneinanderreihung von Erfolgsmomenten. Statt eines aufpolierten Lebenslaufes hat man hier das Gefühl, zumindest ansatzweise in die Innenwelt einer Person versetzt zu werden - und das können die allerwenigsten Filme von sich behaupten.