Anzeige: |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |
13. August 2008 | Thomas Vorwerk für satt.org | ||
Nanny DiariesUSA 2007, Originaltitel: The Nanny Diaries, Buch und Regie : Shari Springer Berman, Robert Pulcini, Lit. Vorlage: Emma McLaughlin, Nicola Kraus, Kamera: Terry Stacey, Schnitt: Robert Pulcini, Musik: Mark Suozzo, mit Scarlett Johansson (Annie Braddock), Donna Murphy (Judy Braddock), Laura Linney (Mrs. X), Nicholas Reese Art (Grayer), Alicia Keys (Lynette), Chris Evans (Harvard Hottie), Paul Giamatti (Mr. X), Nina Garbiras (Miss Chicago), James Urbaniak (Educational Consultant), 106 Min., Kinostart: 14. August 2008 Man mag es mir verzeihen, aber Verfilmungen von "Frauenbüchern" wie The Devil wears Prada sprechen mich nur bedingt an. Da das gemeinsam Regie führende Ehepaar Berman / Pulcini mit American Splendor aber eine der besten Comicverfilmungen aller Zeiten inszenierte und Darsteller wie Scarlett Johannson, Laura Linney und Paul Giamatti auch recht vielversprechend klingen, war ich auf diesen Film dennoch recht gespannt. Annie Braddock (Johannson), die gerade ihr BWL-Studium mit Nebenfach Anthropologie erfolgreich beendet hat, sucht die Unabhängigkeit von ihrer Mutter (Donna Murphy) und nimmt mehr zum Überbrücken einer Lebensfindungsphase und als anthropologische Feldstudie einen Job als Nanny an. Schon wie sie an diesen Job gerät, ist bemerkenswert, denn sie rettet einen kleinen Jungen vor einem unachtsamen motorisierten Parkbesucher, und so wohl sie und der Junge als auch der arrogante Anzugträger und eine weitere Passantin landen in einer für Romantic Comedies typischen Quasiumarmung irgendwo auf Grasflächen, doch in beiden Fällen (insbesondere in einem) wird die potentiell die Geschlechter näherbringende Situation anders als erwartet aufgelöst. Obwohl The Nanny Diaries bei der deutschen Plakatierung relativ eindeutig (und unsubtil) als Romantic Comedy verkauft wird ("Sie wollte nur einen Job ... und findet Mr. Right"), ist die größte Stärke (und Schwäche) des Films, dass hier mehrere Genres und Stilrichtungen vermischt werden, und ich kann nur annehmen, dass dies so aus dem Roman übernommen wurde. So beginnt das Ganze recht satirisch mit Szenen, die dem American Museum of Natural History nachempfunden sind und (unterfüttert von Annies Off-Kommentar) Spezialformen der menschlichen Spezies wie "Tribeca Fashionista" oder "Park Slope Lawyer" vorführt. Aus der Sicht der Anthropologin splitten sich die New Yorker Väter in Golfer und Nachtclub-Besucher auf, während die Frauen vor allem mit Schönheitsoperationen und erzwungenem Erbrechen beschäftigt sind. Diesen Klischees entsprechen dann auch Annies Arbeitgeber, die sie streng wissenschaftlich "Mrs. X" (Laura Linney) und "Mr. X" (Paul Giamatti) nennt, während der sich zum romantischen Teil des Films einfindende junge Mann (Chris Evans) sich als "Harvard Hottie" in eine Schublade schieben lassen muss. Während Annies komplette Berufserfahrung sich auf Hollywood-Filme stützt (insbesondere Mary Poppins, wobei die Regisseure die Anzahl der Ehrerweisungen hier etwas übertrieben haben), macht Mrs. X, die vor allem mit Wohltätigkeitsveranstaltungen beschäftigt ist, ihr die vielen Regeln für die Erziehung ihres Sohnes Grayer (Nicholas Reese Art) klar, der keine U-Bahn fahren darf, bereits in der Vorschulzeit Französisch-Kenntnisse sammeln soll, statt Erdnussbutter lieber Tofu-Speisen zu sich nehmen soll und generell am Tage keine Nickerchen machen darf ("I prefer to have him tired when I arrive"). Nach anfänglichen Problemen manifestiert Annie so auch den Kontakt mit dem Knaben, indem sie diese Regeln unter kindlicher Geheimhaltung durchbricht und ihm einen für Kinder definitiv lebenswerteren Lifestyle bietet ("Today is break-the-rules-day"). Doch nicht nur für Grayer sind seine Eltern ein Problem, auch Annie leidet immer mehr unter Beschneidungen ihrer Freizeit, schlichtweg unüberbrückbaren Kommunikationsproblemen mit Mrs. X ("I'd like to have a free evening" - "All she has to do is ask" - "Conflict solved"), und schließlich ändert der Film erneut seine Richtung, denn plötzlich beginnt Annie (und mit ihr der Zuschauer) auch noch, mit ihrer Arbeitgeberin mitzufühlen, deren Mann sie wenig überraschend betrügt, und für einen Urlaub, der die Familie vielleicht retten könnte, verschiebt Annie noch mal ihre überfällige Kündigung. Viele Zuschauer und Kritiker werden durch diese andauernden Änderungen im Stil des Films (satirisch, romantisch, humanistisch) überfordert sein und sie als inszenatorische Schwäche ansehen, doch diese Unentschlossenheit spiegelt nur die Situation der Hauptfigur und Erzählerin, die mal distanziert beobachtet, mal mitfühlt, und sich dann natürlich auch noch verliebt, und ihren Weg erst langsam während des Films findet. So wie der Film selbst. Dies als Stärke des Films zu begreifen, ist seine größte Herausforderung an den Zuschauer - und bei einer Vermarktung als Romantic Comedy wird dies durch die nicht erfüllten Erwartungen sehr erschwert.
|
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |