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15. Oktober 2008
Thomas Vorwerk
für satt.org


 

Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)

Hellboy
Die goldene Armee
(R: Guillermo del Toro)

Originaltitel: Hellboy II - The Golden Army, USA / Deutschland 2008, Buch: Guillermo del Toro, Mike Mignola, Comic-Vorlage: Mike Mignola, Kamera: Guillermo Navarro, Schnitt: Bernat Vilaplana, Musik: Danny Elfman, Production Design: Stephen Scott, Supervising Art Director: Peter Francis, Visual Consultant: Mike Mignola, Puppet Sequence: Ghost Vfx, mit Ron Perlman (Hellboy), Selma Blair (Liz Sherman), Doug Jones (Abe Sapien / The Chamberlain / The Angel of Death), Jeffrey Tambor (Tom Manning), James Dodd / John Alexander (Johann Krauss), Seth McFarlane (Johann Krauss, voice), Luke Goss (Prince Nuada), Anna Walton (Princess Nuala), John Hurt (Professor Trevor “Broom” Bruttenholm), Montse Ribé (Young Hellboy), Colin Ford (Young Hellboy, voice), Brian Steele (Mr. Wink / Cronie Troll / Cathedral Head / Fragglewump), Jimmy Kimmel (Himself), Blake Perlman (Female Newscaster #2), Guillermo del Toro (Creature voices), 120 Min., Kinostart: 16. Oktober 2008

Die Comic-Verfilmung Hellboy war seinerzeit kein besonderer Kinoerfolg (insbesondere in Deutschland), was aber niemanden verwundert haben sollte, denn der Comic war nur “wirklichen” Comiclesern bekannt und nicht wie Spider-Man oder Batman nahezu jedermann (kleine Betonung auf “Mann”), der mal in der Jugendzeit mit den Superhelden-Heftchen in Kontakt gekommen war. Außerdem wurde Hellboy eben nicht von Tobey Maguire oder George Clooney gespielt, sondern von Ron Perlman, einem weder besonders bekannten, noch als Unterhosenmodell beliebten Darsteller. Durch gemütliche Mundpropaganda wurde aber die DVD zum Film ein ziemlicher Hit (sowohl im Verleih als auch im Verkauf), und mittlerweile ist Hellboy ebenso bekannt wie der mittlerweile mit Pans Labyrinth zu (umstrittenen) Oscargnaden aufgestiegene Regisseur Guillermo del Toro, der für dieses ihm am Herzen liegende Sequel ein weitaus lukrativeres Angebot für einen Harry Potter-Film ausgeschlagen hat, und nun als nächstes Tolkien’s The Hobbit verfilmen soll, ein Unternehmen, das man vor zehn Jahren noch als riskant eingestuft hätte, das heutzutage aber einer Geldruckmaschine gleichkommt.

Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)

Doch bleiben wir erstmal bei der Gegenwart. In den Vereinigten Staaten konnte Hellboy 2 keine Einspielrekorde brechen, woran aber der Starttermin zwischen Hancock und The Dark Knight, zwei weitaus prominenter besetzteren Superhelden-Filmen, sicher nicht unschuldig ist. Für den deutschen Starttermin hat man sich einige Zeit gelassen, zwei Wochen vor Halloween dürften Krabat (entfernt ähnliches Genre) und der erst am 6. November startende neue James Bond vergleichsweise zu vernachlässigende Konkurrenzfilme sein.

  Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)
Fotos © Universal Pictures
Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)
Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)
Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)
Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)
Hellboy - Die goldene Armee (R: Guillermo del Toro)
Regisseur Guillermo del Toro am Set

Doch ungeachtet der Finesse des deutschen Verleihers legt Hellboy 2 es gar nicht besonders drauf an, ein Blockbuster zu sein, del Toro ist mehr daran gelegen, seine Vision umzusetzen, die im Gegensatz zum ersten Film schon ein wenig von Mike Mignolas Comic-Original abweicht (ein wenig in Richtung Neil Gaiman / Dave McKean), dies aber durchaus zum Wohle des Materials, denn immer nur SS-Uniformen und Cthulhu-Monster mag angenehm zu zeichnen sein, wenn man darauf steht, doch die Geschöpfe, die del Toro hier versammelt (und ich habe längst nicht jeden späteren Hellboy-Comic-Spinoff gelesen, um entscheiden zu können, inwiefern hier auch Mignola-Material verarbeitet wurde), geben seinen Lieblings-Kreaturen-Darstellern (neben Perlman der unvergleichliche Doug Jones und der beständige Brian Steele) ähnlich viele Möglichkeiten, den Zuschauer mit Old-School-Spezialeffekten zu verzaubern wie zuletzt Pans Labyrinth.

Schon das Intro ist gewagt, denn die im ersten Teil verstorbene Figur des Hellboy-”Vaters” Professor Broom (John Hurt) wird hier für eine Gute-Nacht-Geschichte, die der putzige kleine Hellboy zu Weihnachten 1955 zu hören bekommt. Und anders als bei Robert Redford in The Natural oder Jack Nicholson in The Departed funktioniert das sogar, John Hurt wirkt wie zweimal durch einen Jungbrunnen gezogen, und die für die Figur des Hellboy so wichtige Familienkomponente findet auch ihren Einfluss auf den zweiten Film.

Die eigentliche Gute-Nacht-Geschichte ist natürlich ein Vorgriff auf die mythenumwobene Geschichte der “goldenen Armee”, die im Verlauf des Films die Welt bedrohen wird, doch auch hier überrascht und fasziniert del Toro den Zuschauer, denn wenn man noch damit gerechnet haben könnte, dass diese Geschichte nicht nur erzählt, sondern animiert werden könnte, so ist die detailfreudige 3D-Puppen-Animation bereits in den ersten zehn Minuten ein zweiter wunderschöner Höhepunkt, der den Zuschauer für den Film einnimmt.

Die folgenden Martial-Arts-Sequenzen zur Einführung des neuen Bösewichts Prinz Nuada (Luke Goss) sind hingegen wieder recht konventionell und auf den Massengeschmack abgestimmt, und die Szene mit den Zahnfeen ist leider die wohl schlechteste des Films, was weniger an der CGI-Animation liegt, sondern daran, dass die Zahnfeen, die ich der Einfachkeithalber mal als fliegende Piranhas erkläre (auch wenn sie weitaus filigraner aussehen), einige Nebenfiguren in Rekordzeit bis auf die Knochen abnagen, während unsere Helden, die sich der Flut der kleinen Viecher lange Zeit durch Schusswaffen (!) und Faustgewalt zu erwehren versuchen, allenfalls ein paar Schrammen davontragen. Was alles sehr vorhersehbar ist und nicht wirklich Spannung aufkommen lässt.

Im Gegensatz zum ersten Film hat man “Myers”, der damals den uneingeweihten Zuschauer als Identifikationsfigur an die anderen Figuren heranführte, außen vor gelassen (in einem kleinen Gag am Rande erfährt man, dass Hellboy ihn in die Arktis versetzt hat), die Flammen der pyrokinetisch begabten Liz Sherman (Selma Blair diesmal nicht annähernd so verhuscht wie im ersten Teil) von Blau in herkömmliches Rot verwandelt (keine Erklärung), und der kleinen Gruppe mit dem deutschstämmigen Johann Krauss (“Eh, Mr. Kraut, sir?” - “Krauss, agent. There's a double s.” - “SS. Right, right.”) eine für Mike Mignola sehr typische Figur zugefügt, die hier aber vor allem für den Comic Relief sorgt (und Hellboy im direkten Vergleich weitaus ebenbürtiger ist als Myers seinerzeit). In der deutsch synchronisierten Fassung des Films wird übrigens auch ein Erfinder namens Emil S. erwähnt, dessen Nachname ich sofort als eine Ehrerweisung an den großen deutschen Kameramann und Trickspezialisten Eugen Schüfftan (Metropolis, Die Nibelungen, Oscar für The Hustler) interpretiert habe, der aber bei den Dialogzitaten auf imdb.com als “Emil Schuffstein” wiedergegeben wird. Die zweite Sichtung im Original wird entscheiden, ob ich zur Überinterpretation neige oder die amerikanischen Fans nur keine Ahnung von deutschen Filmkünstlern haben. Die Wahrscheinlichkeit einer Hommage ist aber sehr groß, denn an anderen Stellen verweist del Toro auch an See you next wednesday, einen Running Gag aus den Filmen von John Landis, oder übernimmt bei dem teilweise an die Cantina auf Tatooine erinnernden “Trollmarkt” (bei dem ich vergeblich eine Cameo-Appearance von Neil Gaiman auszumachen versuchte) auch die von George Lucas bei Star Wars fast inflationär eingesetzten Wischblenden. Und ich könnte wetten, dass die seltsame Bag Lady irgendein Kommentar auf Tweety und Sylvester sein soll ...

Doch zurück zum Film. Die Figur des Abe Sapien (Doug Jones, diesmal aber nicht von David Hyde Pierce gesprochen) hat diesmal eine weitaus größere Rolle, inklusive einer kleinen Love Story mit der Prinzessin Nuala (ist es Zufall, dass es eine Figur gleichen Namens und ähnlich “versteckter” Schönheit in Gaimans Sandman gibt?), die dann zu einer der schönstens Szenen des Films führt, denn so wie der Ghost Rider in der Verfilmung auf die Carpenters steht, haben Ape und Hellboy eine Schwäche für Barry Manilow. Beim bereits erwähnten Trollmarkt, wo del Toro wieder ganz seiner Imagination freien Lauf lassen konnte, trifft Hellboy auch auf “Mr. Wink”, eine ganz den Superhelden-Comic-Regeln entsprechende Figur, die ebenfalls eine etwas kräftigere Hand hand, die aber auch noch wie ein raketenbetriebener Morgenstern abgeschossen werden kann, um dann später wie ein Staubsaugerkabel anhand einer Kette wieder zurückgezogen zu werden. Der hierauf aufbauende Kampf und Gag ist etwas vorhersehbar aufgebaut, entbehrt aber nicht eines gewissen Charmes. Im weiteren Verlauf gibt es noch diverse, fast unzählige bestaunenswerte Kreaturen (u. a. auch eine Art Baumgott, der den Disney-Klassiker Jack and the Beanstalk und das Swamp Thing in der Version von Charles Vess kombiniert), Dialoge, die man sich auf der Zunge zergehen lassen will (“You're in love. Have a beer.” - “Oh, my body's a temple” - “Now it's an amusement park.”), und sogar einige Storyentwicklungen, die sich nicht nur um das Zertrümmern und Zerschießen der Bösewichte drehen. Kurzum, ein Popcorn-Movie für Leute für Leute, die mehr als nur ein Popcorn-Movie möchten. Dass kann man u.a. auch daran erkennen, dass es hier statt des oft unumgänglichen Popsongs zur Promotion auf MTV neben den Carpenters nur noch einen mit Liebe ausgesuchten Song von den Eels gibt, dessen Titel man nicht nur auf die Hauptfigur, sondern auf den ganzen Film beziehen kann: “Beautiful Freak.”