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 Bilder © 2008 Concorde Filmverleih GmbH



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Wiedersehen mit Brideshead
(R: Julian Jarrold)
UK 2007, Originaltitel: Brideshead revisited, Buch: Jeremy Brock, Andrew Davies, Lit. Vorlage: Evelyn Waugh, Kamera: Jess Hall, Musik: Adrian Johnston, mit Matthew Goode (Charles Ryder), Ben Whishaw (Sebastian Flyte), Hayley Atwell (Julia Flyte), Emma Thompson (Lady Marchmain), Michael Gambon (Lord Marchmain), Ed Stoppard (Bridey Flyte), Felicity Jones (Cordelia Flyte), Greta Scacchi (Cara), Joseph Beattie (Anthony Blanche), Anna Madley (Celia), Patrick Malahide (Mr. Ryder), Jonathan Cake (Rex Mottram), 133 Min., Kinostart: 20. November 2008
Ich rühme mich oft und gern meines Anglistikstudiums, aber Evelyn Waughs Brideshead revisited (1945) habe ich nie gelesen, und auch die Fernsehserie mit Jeremy Irons (1981) kenne ich nur vom Hörensagen. Dadurch war ich auch nicht vorbereitet auf das eigentliche Thema des Films, das sich gegen Ende sehr in den Vordergrund drängt, und mir die Suppe gewaltig versalzen hat. Aber fangen wir vorne an ...
Charles Ryder (Matthew Goode) ist neu in Oxford (1920er Jahre), und relativ früh trifft er auf Sebastian Flyte (Ben Whishaw), einen Studenten, der für unorthodoxes Verhalten bekannt ist, und Charles auch mit seinem offensichtlichen Reichtum (zum Lunch gibt es Kiebitzeier) fasziniert. Es bildet sich sehr schnell eine Freundschaft, deren Basis offenbar unterschiedliche Motivationen sind. Selbst ein Publikum von 1950 würde beim Betrachten des Films (der sich in seiner Zurückhaltung wahrscheinlich am Roman orientiert) kaum übersehen können, dass Sebastian schwul ist, wenn sich auch seine Familie darauf verlässt, dass er aus diesem Jugendstadium “noch herauswächst”.
Apropos Familie. Schon im Zusammenhang mit den Kiebitzeiern wird der Familiensitz Brideshead erwähnt, den Charles gerne mal sehen würde, und so fahren die beiden nach einigen glücklichen Wochen an der Uni dorthin, und kurz vor der imposanten Villa kommt ihnen ein Auto entgegen. “Who is that in the car with your mother?” - “My sister. I’m not having you mixed up with my family. You’re my friend.” Naja, zu den sich hier entwickelnden Problemen braucht man keine großen Worte mehr verlieren. Natürlich lernt Charles die Schwester Julia (Hayley Atwell) kennen, natürlich verliebt er sich sofort in sie, und natürlich gibt das früher oder später einen Knacks in der Freundschaft “contra mundum” (Wir zwei allein gegen die Welt) zwischen der Identifikationsfigur Charles und dem nicht immer positiv gezeichneten Sebastian.
Sebastian nutzt so seine Tricks, um die “Besitzansprüche” klarzustellen (Stichwort “grave injury”), und das ganze entwickelt sich mit Weinproben, Küsschen und Nacktbaden schnell zu einer harmloseren Version von The Dreamers.
Dann kommt zusammen mit einem weiteren Bruder namens “Bridey” auch die Mutter, Lady Marchmain (Emma Thompson), nach Brideshead (der von Michael Gambon gespielte Lord M. war bisher nur eine etwas gefühlskalte, aber aufmerksame Präsenz), und plötzlich geht alles in Richtung Katholizismus, denn laut Romanautor ist das Thema des Buches “Die Wirkung göttlicher Gnade auf einen Kreis unterschiedlicher, aber eng miteinander verbundener Figuren”, eine Zusammenfassung, die aber den unübersehbaren Zerfall der katholischen Aristokratie vorsichtshalber ein wenig unter den Teppich fegt. In der Geschichte, der eine elfteilige Fernsehserie womöglich auch besser gerecht werden kann, denn immerhin wird ein Zeitraum von etwa zwanzig Jahren umrissen, geht es weiter mit einem Ausflug nach Italien, wo uns unter anderem die Auslegung des katholischen Glauben durch die dort ansässige Cara (die Geliebte von Lord M., gespielt von Greta Scacchi) zuteil wird: “We do what the heart tells us and then go to confession”.
Sebastian wird immer kränklicher, verletzlicher und dandyhafter, als Grund wird der Alkohol erwähnt, und Julia soll einen Katholiken heiraten, nicht den Atheisten Charles. Es geht dann auch um Charles’ Vorstellung von Kunst, um “echte” Gefühle statt des (aristokratischen) Aufbaus eines Tableaus, und während die Handlung des Films immer zähflüssiger vorankommt, intensiviert sich die Symboldichte des Films, bis nur noch Hardcore-Intellektuelle ihren Spaß an dem Tableau haben, in dem “echte” Gefühle Mangelware sind. Die heutzutage so gern thematisierte “verbotene Liebe” spukt dann noch in unterschiedlichen Inkarnationen durch den Film, aber ein wirkliches Interesse an all dem Leiden und der Schuld wollte sich bei mir - übrigens auch Atheist - nicht mehr einstellen. Regisseur Julian Jarrolds Becoming Jane hatte auch schon seine Schwachstellen, funktionierte aber wenigstens noch, eine Literaturverfilmung, die nur dann klappt, wenn der Zuschauer das Buch gelesen hat, erscheint mir irgendwie witzlos. Schon die bedeutungsschwangeren Momente zu Beginn des Films, wenn Charles während des Zweiten Weltkrieges wieder in Brideshead landet, man als Zuschauer aber keinen Schimmer hat, worum hier so ein Brimborium gemacht wird, sind bezeichnend. Nicht einmal das Verlangen, jetzt das Buch zu lesen, um zu sehen, was falsch gemacht wurde, kann dieser Film evozieren.