Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




10. März 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Gran Torino (R: Clint Eastwood)
Gran Torino (R: Clint Eastwood)
Gran Torino (R: Clint Eastwood)
Bilder © 2008 Warner Bros. Ent.
Gran Torino (R: Clint Eastwood)
Gran Torino (R: Clint Eastwood)
Gran Torino (R: Clint Eastwood)


Gran Torino
(R: Clint Eastwood)

USA / Australien 2008, Buch: Nick Schenk, Kamera: Tom Stern, Schnitt: Joel Cox, Gary D. Roach, Musik: Kyle Eastwood, Michael Stevens, Casting: Ellen Chenoweth, mit Clint Eastwood (Walt Kowalski), Bee Vang (Thao Vang Lor), Ahney Her (Sue Lor), Christopher Carley (Father Janovich), Brian Haley (Mitch Kowalski), Geraldine Hughes (Karen Kowalski), Dreama Walker (Ashley Kowalski), Brian Howe (Steve Kowalski), John Carroll Lynch (Barber Martin), William Hill (Tim Kennedy), Brooke Chia Thao (Vu), Chee Thao (Grandma), Choua Kue (Youa), Scott Reeves (Trey), Xia Soua Chang (Kor Khue), 116 Min., Kinostart: 5. März 2009

"Death is often a bittersweet occasion for us Catholics. Bitter in its pain, but sweet in its salvation". Die Beerdigung seiner Frau Dorothy hat für Walt Kowalski (Clint Eastwood) keinerlei "süße" Aspekte. Von der Kirche als Institution hält er ohnehin nichts, der Pfarrer scheint noch feucht hinter den Ohren, seine bauchnabelgepiercte Enkelin ist vor allem mit ihrem Handy beschäftigt, und einige andere Jugendliche benutzen beim Bekreuzigen eine Alternativfassung der lateinischen Worte, bei der Vokabeln wie "testicles" vorkommen. Walt ist ein Mann vom alten Schlag. Er war im Koreakrieg und hat Zeit seines Lebens beim Autokonzern Ford in der Fabrik gearbeitet. Davon zeugt auch sein vielleicht wertvollster Besitz, ein Gran Torino von 1972, in den er seinerzeit selbst die Lenkstange eingebaut hat, und den er ab und zu mal vor die Garage stellt. Was seine fast volljährige Enkelin zum Spruch verleitet "I never knew you had a cool old car." Nur um sich dann kurz darauf zu erkundigen, ob sie dieses Auto womöglich erben könnte.

In dieser Paraderolle ist Eastwoods Gesicht geradezu vom Hass zerfressen. Schlimm genug, dass er mit seinen Kindern und Kindeskindern nichts anfangen kann, seine Nachbarschaft ist auch vor die Hunde gegangen. Walts Haus ist das einzige weit und breit, das gut in Schuss gehalten wirkt, die Nachbarn kümmern sich um so etwas nicht, allesamt verdammte Schlitzaugen, die er doch im Krieg bekämpft hat (der Krieg ging nicht spurlos an Walt vorbei). Und dann kommt auch noch dieser milchgesichtige "Padre" und will ihm auf Wunsch seiner verstorbenen Frau die Beichte abnehmen ...

Auch Walts Gesundheitszustand ist nicht der beste, aber solang er am Abend mit eine Dose Bier auf der Veranda sitzen kann, könnte er seinen Lebensabend vielleicht in Ruhe genießen. Wenn nicht ... seine Kinder ihn ein Altersheim schicken wollen, in seinem Viertel auch noch Jugendbanden ihr Unwesen treiben, und es tatsächlich jemand wagt, zu versuchen, seinen Gran Torino zu stehlen ... Doch Walt pflegt nicht nur sein Auto gewissenhaft, er putzt auch sein Gewehr regelmäßig, und so ist es für ihn selbstverständlich, dass er seinen Besitz und sein Grundstück notfalls auch mit Waffengewalt verteidigt. Man wartet förmlich darauf, dass Clint aka Walt sowas sagt wie "Go ahead, gook! Make my day!", doch bevor die zunächst unterschwellige Gewalt ihre Opfer fordert, geht es in Gran Torino erstmal um Völkerverständigung. Man würde annehmen, dass so ein alter Hund wie Walt keine neuen Tricks mehr lernt oder es ihm unmöglich ist, seine Ansichten zu ändern, doch ausgerechnet der misslungene Diebstahl des Gran Torino, eine aufgezwungene Mutprobe, zu der sein Nachbarsjunge Thao (Bee Vang) von einer Bande drangsaliert wurde, konfrontiert Walt damit, dass ihn mit einigen seiner asiatischen Nachbarn immerhin mehr verbindet als mit seinem verweichlichten Yuppie-Sohn und dessen Baggage.

Als einige Gangmitglieder Thao nämlich am nächsten Tag erneut drangsalieren, machen sie den Fehler, auf Walts Rasen zu treten, und sofort hat er wieder seine Wumme in der Hand. Die Nachbarn missdeuten sein Handeln jedoch als Heldentat, und unter den Hmong (einer in Laos und Vietnam verbreiteten Volksgruppe, die im Vietnamkrieg auf der Seite der Amerikaner stand, und deshalb auch vielfach aus der Heimat vertrieben wurde und nach den USA flüchtete) ist es üblich, Walt dafür nun mit Geschenken zu überschütten. Was der sich natürlich verbittet, aber "that chicken dumpling thing" schmeckt zugegebenermaßen besser als die "beef jerkies", die Walt in letzter Zeit zu seiner Hauptspeise erkoren hat. Als Thaos geringfügig ältere Schwester und Mutter erfahren, dass er versucht hatte, den Wagen des Helden zu stehlen, ist dies ein schwarzer Fleck auf ihrer Familienehre, und sie schicken Thao zu Walt, damit er für ihn Dienste übernimmt, sozusagen eine familiär verhängte Sozialstrafe. Walt will natürlich einfach nur seine Ruhe haben, doch nach und nach stellt er für den Jungen so etwas wie die in seinem Leben fehlende Vaterfigur da, und auch mit der energischen Schwester Sue (Ahney Her), die ihn immer mit dem Namen Wally aufzieht, versteht sich Walt gut. Vielleicht sollte man auch wissen, dass Walts bester Freund sein Friseur ist (John Carroll Lynch), und beim monatlichen Besuch schmeißen sich die beiden rassistische Schimpfwörter an den Kopf, dass es nur so eine Freude ist.

Gran Torino lebt lange Zeit von hervorragenden Dialogen und einem respektlosen, politisch unkorrekten Humor, wie man ihn heutzutage fast nur noch bei South Park erlebt. Doch auch das letzte Drittel des Films, in dem alles etwas dramatischer wird (Eastwood liebt bekanntlich Filme, die nicht starr den Regeln nur eines Genres folgen, man denke nur an Million Dollar Baby), funktioniert trotz einiger Klischees erstaunlich gut, gerade weil man Clint als Dirty Harry und namenlosen Rächer kennt, und man würde sich mit ihm selbst dann nicht anlegen, wenn er mit einem Rollator auf einen zugestolpert käme.

Die Figur des Walt wächst einem trotz ihrer Fehler ans Herz, vergleichbar etwa mit dem Ekel Alfred aus Ein Herz und eine Seele. Und auch, wenn das Ende des Films sauer aufstößt, wäre man wohl ziemlich gefordert, eine gelungenere Auflösung zu finden, die nicht die Probleme, der der Film behandelt, einfach verharmlosen würde. Eastwood-Filme sind fast immer auch problematisch, weil politisch und etwas starrköpfig, aber Gran Torino ist der beste Film dieses Regisseurs seit Mystic River, vielleicht sogar seit The Bridges of Madison County. Und im Gegensatz zu vielen anderen Regisseuren soll dies nicht die anderen Filme abwerten, sondern die Klasse dieses Altmeisters betonen.