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13. August 2009
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Coraline (R: Henry Selick)
Coraline (R: Henry Selick)
Coraline (R: Henry Selick)
Bildmaterial © Universal Pictures
Coraline (R: Henry Selick)
Coraline (R: Henry Selick)
Coraline (R: Henry Selick)
Teri Hatcher spricht die zwei Mütter

Leider hat Universal den halbminütigen Ausschnitt inzwischen aus urheberrecht­lichen Gründen von youtube entfernt. Ob der Song rein akustisch den selben Effekt haben wird, ist fraglich. Aber achtet ruhig mal auf den Text ...




Coraline
(R: Henry Selick)

USA 2009, Buch: Henry Selick, Lit. Vorlage: Neil Gaiman, mit den Originalstimmen von Dakota Fanning (Coraline Jones), Teri Hatcher (Mother / Other Mother), John Hodgman (Father / Other Father), Jennifer Saunders (Miss April Spink / Other Spink), Dawn French (Miss Miriam Forcible / Other Forcible), Keith David (The Cat), Ian McShane (Bobinski / Other Bobinski), Robert Bailey jr., (Wybie Lovat), George Selick (Ghost Boy), Harry Selick (Photo Friend #1), Jerome Ranft (Mover), 100 Min., Kamera: Pete Kozachik, Schnitt: Christopher Murrie, Ronald Sanders, Musik: Bruno Coulais, Production Design: Henry Selick, Kinostart: 13. August 2009

Der "Roman für Kinder" Coraline zählt für Leser allen Alters zu den gelungensten Werken des nach seiner Comic-Karriere (The Sandman) nun auch die Buch-Bestsellerlisten beherrschenden (American Gods) und als Filmproduzent (Stardust) erfolgreichen Neil Gaiman. Die Nachricht, dass Henry Selick dieses Werk verfilmen würde, ließ die Herzen vieler Gaiman-Fans höher schlagen, kennt man den Stop-Motion-Experten doch von Filmen wie (dem oft Tim Burton zugeschriebenen*) The Nightmare before Christmas, der Roald Dahl-Adaption James and the Giant Peach (man beachte, dass auch Burton sich später Dahl annahm) und - last but not least - der größtenteils realverfilmten Comicadaption Monkeybone, bei der man bereits eine starke Affinität zu den auch von Gaiman favorisierten Themen erkennen konnte.

Man kann also ohne weiteres sagen, dass Henry Selick neben Tim Burton (der momentan gerade seine Version von Alice in Wonderland fertiggestellt hat, womit über eine der offensichtlichen Inspirationen für Coraline der Kreis geschlossen wird) einer der für Gaiman-Verfilmungen geeignetsten Regisseure ist. Stardust oder The Graveyard Book kann man sich ebenfalls gut als Puppenanimation vorstellen.

Die Zeit des Wartens ist in solchen Fällen immer das Schlimmste. Insbesondere auch, wenn der deutsche Filmstart immer weiter nach hinten verschoben wird und man den Film mittlerweile fast überall auf der Welt längst als (legale) DVD erwerben kann, ehe nun auch endlich wir schnöden Teutonen in den Genuss kommen.

Mir persönlich versüßte die Wartezeit ein bei youtube entdeckter Clip, der den "Other Father Song" zeigt, wobei dieses Liedgut auch noch von They Might Be Giants dargeboten wird. Allerdings hatte schon allein der großartige Songtext dieses halbminütigen Kleinods zur Folge, dass meine Erwartungen an den Film so dermaßen in den Himmel geschraubt wurden, dass der eigentliche Film jetzt fast eine kleine Enttäuschung war. Aus dem American Cinematographer (eine eher zufällige Lektüre, die im Pressebereich der Berlinale rumlag) wusste ich vom Einsatz der "forced perspective" für die (reale) Küche der Familie Jones, in der eine Puppe, die sich von der Kamera entfernt, nicht nur wegen der größeren Entfernung kleiner wirkt, sondern auch, weil sich die Küche nach hinten verjüngt und man tatsächlich Puppen unterschiedlicher Größe verwendete, um insbesondere beim 3-D-Material einen subtil verstörenden Effekt zu erzielen. Nach einmaliger Betrachtung des Films kann ich aber nur attestieren, dass die Szenen in der Küche recht kurz sind und ich persönlich (trotz Vorwarnung!) wenig davon gemerkt habe.

Großartig ist auch der Vorspann des Films mit einer seltsam gruseligen Musik. Leider war der Effekt der Musik im restlichen Film eher nervend. Und während ich das Figurendesign von Tim Burton bei The Nightmare Before Christmas durchweg großartig fand, konnte ich bei Coralines Nachbarn Bobinski, Spink und Forcible zwar den Mut zur Übertreibung gutheißen, aber die Illustrationen meines Lieblingszeichners Dave McKean im Buch haben mich sehr viel mehr angesprochen.

Vielleicht liegt es einfach an einer gewissen Trotzigkeit, die sich einstellte, als der deutsche Filmstart immer weiter nach hinten verschoben wurde, während der Film überall anders auf der Welt längst Schnee von gestern wurde. Und da man der Presse den Film nur auf Deutsch zeigte, und die Wahrscheinlichkeit, Coraline selbst in Berlin in der Originalfassung und 3D im Kino zu sehen, sehr gering ist, wirkt der Film für mich nicht mehr wie die kaugummibunte Welt, die Coraline hinter einer geheimen Tür entdeckt, sondern eher wie der triste Alltag der Realität. Das Buch hat mir besser gefallen. Aber der "Other Father Song" gehört zu den absoluten filmischen Höhepunkten des Jahres.

* Burton lieferte die Vorlage, aufgrund seiner Zeichnungen einen Großteil des Figurendesigns, und produzierte auch, aber Regisseur ist und bleibt Henry Selick, auch wenn man im Vergleich mit dem von Burton co-inszenierten Corpse Bride (mit dem Selick nicht zu tun hatte) nur wenige grundsätzliche Unterschiede erkennen kann.