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Fotos © 2009 Twentieth Century Fox
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Bad Lieutenant:
Cop ohne Gewissen
(R: Werner Herzog)
Originaltitel: Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans, Buch: William Finkelstein, Kamera: Peter Zeitlinger, Schnitt: Joe Bini, Musik: Mark Isham, mit Nicolas Cage (Terence McDonagh), Eva Mendez (Frankie), Val Kilmer (Stevie Priut), Alvin “Xzibit” Joiner (Big Fate), Fairuza Balk (Heidi), Shawn Hatosy (Armand Benoit), Jennifer Collidge (Genevieve), Tom Bower (Pat McDonagh), Vondie Curtis Hall (Captain James Brasser), Brad Dourif (Ned Schoenholtz), Denzel Whitaker (Daryl), Irma P. Hall (Binnie Rogers), Michael Shannon (Mundt), William Finkelstein (Dave Jacobs), 122 Min., Kinostart: 25. Februar 2010
Abel Ferraras Bad Lieutenant mit Harvey Keitel war 1992 ein kleiner Skandal, und um es vorwegzunehmen: in Werner Herzogs zumindest teilweise hollywoodesker Variation des Themas kommen keine Nonnen zu schanden. Schon durch die Besetzung mit Nicolas Cage muss ich immer an City of Angels denken, eine glattgebürstetes Hollywood-Remake von Wenders’ Der Himmel über Berlin, doch auch wenn man anhand der Besetzung und des Plakats an eine ähnliche Eröffnung des Marktes denken könnte (die die PR-Abteilung des Films auch versucht), so ist Herzogs Film trotz des Verzichts auf die Skandalszenen doch schon aufgrund einiger kleiner vom Regisseur selbst gedrehten Einstellungen mit Alligatoren und Leguanen für ein Mainstream-Publikum viel zu sperrig - und dadurch für Zuschauer, die sich nicht nur stumpf unterhalten wollen, umso interessanter.
Die Verlegung des Geschehens nach New Orleans, das durch den Hurricane Katrina scheinbar mehr Hollywood-Aufmerksamkeit erhalten hat als Pearl Harbor durch den Angriff der Japaner, entspricht natürlich gängigen Marktgesetzen (Fördermittel und Steuervergünstigungen), doch schon hier zeigt Herzog, dass er aus der Location durchaus auch künstlerisches Kapital zu schlagen weiß - und man kann sich auch geschickt vom in New York spielenden Originalfilm distanzieren. In einem Prolog sieht man den “Bad Lieutenant” mit einem Kollegen um einiges schmutziges Geld und ebensolche Polaroids wetten, wie lange in einem überschwemmten Gefängnis festsitzender Krimineller wohl überleben mag - “We can get the time of death from the autopsy ...” Die Heimsuchung durch eine Naturkatastrophe ist in Herzogs Film glücklicherweise noch das am ehesten religiös interpretierte Story-Element, die Schuldfrage in einem extrem katholisch ausgelegten Umfeld bleibt einem hier erspart.
Der Kriminalfall, der hier nicht ganz so stark in den Hintergrund rückt wie bei Ferrara, dreht sich um eine aus Senegal stammende Familie von illegalen Einwanderern, die offenbar wie bei einer Hinrichtung abgeknallt wurden. Der “Bad Lieutenant” Terence McDonagh (Cage) zeigt sich bei der Befragung eines Verdächtigen zunächst sogar gesetzestreuer als sein brutaler Kollege (Val Kilmer).
Doch nach einiger Beschreibung von Drogenkonsum, angedeuteter Zuhälterei, Korruption und dem allmählichen aber offenbar unaufhaltsamen Versinken in Wettschulden ist Nicolas Cage auf dem “absteigenden Ast” mal wieder fast so hübsch anzusehen wie in Leaving Las Vegas (beinahe hätte ich vergessen, die Rückenprobleme zu erwähnen). Auch bei der Besetzung der Nebenrollen hatte man ein glückliches Händchen. Eva Mendez als Edel-Prostituierte, Brad Dourif als “Bookie” oder der Rapper Xzibit als Gangster wirken allesamt durchaus authentisch.
Der größte Unterschied zu Ferrara: Herzogs Bad Lieutenant macht regelrecht Spaß! Ob man darüber sinniert, was uns der Regisseur mit seiner Leguan-Kamera sagen will oder ob wir Nicolas Cage beim rabiaten Umgang mit einer gebrechlichen Greisin beobachten: wo Ferrara dem Zuschauer regelrecht Widerwillen und Abscheu einimpfte (und ich will diese inszenatorische Leistung hier keineswegs schmälern), ist man bei Herzog eigentlich immer auf der Seite der Titelfigur, was sicher auch an Nicolas Cage liegt, der halt selbst noch als gemeingefährlicher Ex-Knacki in David Lynchs Wild at Heart oder als kalter Waffenhändler in Lord of War das Publikum mehr anzurühren weiß als es Harvey Keitel in den düsteren Achtzigern (vor The Piano oder Smoke) möglich war (zumindest habe ich es damals so empfunden). Beide Filme können nebeneinander bestehen und haben auch ihren bescheidenen Platz in der Filmgeschichte verdient. Mich würde interessieren, wie ein Publikum, das beide Filme nicht kennt, auf ein Double Feature reagieren würde - und zwar abhängig davon, in welcher Reihenfolge die Filme gezeigt werden ...