London Nights
(R: Alexis Dos Santos)
Originaltitel: Unmade Beds, UK 2009, Buch: Alexis Dos Santos, Co-Buch: Marianela Maldonado, Kamera: Jakob Ihre, Schnitt: Olivier Bugge Coutté, Production Design: Kristian Milsted, mit Déborah François (Vera), Fernando Tielve (Axl), Michiel Huisman (X Ray Man), Iddo Goldberg (Mike), Richard Lintern (Anthony Hemmings), Katia Winter (Hannah), Alexis Dos Santos (Alejo), Lucy Tillet (Lucy), Al Weaver (Kevin), Leonardo Brzezicki (Lucas), Sinead Dosset (Alice), Tim Plester (Bookshop customer), Florencia Braier (Girl with Spectacles), Johnny Lambe (Boy in Underwear), Valentina Brazzini (Girl in Underwear), 93 Min., Kinostart: 12. August 2010
Zwei Schuhkartons voller privater Erinnerungsstücke wie Fotos, Konzerttickets, Skizzen, Tagebüchern: So ähnlich versucht Regisseur Alexis Dos Santos seine zwei Hauptfiguren darzustellen. Es geht im dabei vor allem um das Lebensgefühl der jungen Generation im heutigen London, wozu natürlich viel Musik, Alkohol, Tanzen und Sex gehört.
Der Film erzählt auch Geschichten. Von einem jungen Mann auf der Suche nach seinem Vater, von einem Paar, dass sich nicht zu spießerhaft binden will (»When will I see you again?« - »You say when, I say where!«) und sich deshalb aus den Augen verliert. Und von einer Abfolge von Betten, die auch die Jugend symbolisieren kann, und immer wieder neue Wohnungen und Personen, neben denen man aufwacht, offenbart.
Ein recht zentrales Lied im Film fasst ihn irgendwie auch gut zusammen: »hot monkey, hot ass / cold beer, no class / hot monkey, hot ass / no future, no past.«
Inszenatorisch geht es vor allem um die Nähe zu den Protagonisten (sehr viel close-ups) und um die Atmosphäre, doch manchmal gelingen dem Film auch sehr gelungene Momente wie eine Parallelmontage, die ein Rockkonzert mit einem Fallschirmabsprung in Beziehung setzt. Mitunter ist ja die Jugend wie ein Fallschirmabsprung, bzw. wie eine Reihe davon. Man springt immer wieder, landet mal sanft, mal etwas ruppiger (auch in fremden, ungemachten Betten), rappelt sich aber (im günstigen Fall) immer wieder auf. Dieses Lebensgefühl fängt der Film sehr schön ein, über Voice-Overs in unterschiedlichen Sprachen (jeweils der Protagonisten) entwirft er auch ein recht positives Bild einer Multi-Kulti-Gesellschaft, doch darüber hinaus kann Unmade Beds / London Nights wenig vermitteln. In Cédric Klapischs L'auberge espagnole (und dem St. Petersburg-Sequel) oder Michael Winterbottoms Nine Songs sah man bereits sehr ähnliches, mal storymäßig für ein junges Mainstream-Publikum aufbereitet, mal noch stärker abstrahiert. Und auch qualitativ passt Unmade Beds irgendwie dazwischen. Wahrscheinlich ist es bei der Rezeption des Films sehr wichtig, ob man selbst noch zu dieser Generation gehört, doch ich bilde mir ein, dass die glücklichen, die ihre Jugend nicht bereits hinter sich haben, auch etwas Spannenderes mit ihrer Zeit anfangen können, als sich diesen Film anzuschauen. Wenn ich mir allerdings ins Gedächtnis rufe, in was für Filme die Jugendlichen und jungen Erwachsenen heutzutage so gehen, dann ist Unmade Beds vielleicht doch die bessere Wahl. Nicht, um ein Lebensgefühl einzufangen, das sie selbst leben könnten, sondern um einen Film zu erleben, der zwar ein wenig ziellos ist wie ein Fallschirmabsprung oder ein One-Night-Stand, aber immerhin in jeder Hinsicht risikobereit ist. Und in der heutigen Kulturlandschaft ist das schon etwas ganz besonderes.