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Fair Game
(R: Doug Liman)
USA / Vereinigte Arabische Emirate 2010, Buch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth, Buchvorlagen: Joseph Wilson, Valerie Plame, Kamera: Doug Liman, Schnitt: Christopher Tellefsen, Musik: John Powell, mit Naomi Watts (Valerie Plame), Sean Penn (Joseph Wilson), David Andrews (Scooter Libby), Ty Burrell (Fred), Bruce McGill (Jim Pavitt), Michael Kelly (Jack), Noah Emmerich (Bill), Brooke Smith (Diana), Liraz Charhi (Zahraa), Anand Tiwari (Hafiz), Ashley Gerasimovich (Samantha Wilson), Quinn Broggy (Trevor Wilson), Sam Shepard (Sam Plame), 104 Min., Kinostart: 25. November 2010
Hin und wieder kommt es vor, dass man als Kritiker im Presseheft direkt gebeten wird, nicht zu viel von der Handlung eines Films preiszugeben. Allerdings beschränken sich solche Aktionen auf die frühen Filme von M. Night Shyamalan oder Überraschungsfilme wie The Crying Game. Ein durchschnittlicher Trailer nimmt etwa zwei Drittel der Filmhandlung vorweg, und auch die »Kurzzusammenfassungen« in vielen Presseheften kümmern sich oft einen feuchten Kehrricht darum, dass es auch schon im ersten Viertel eines Films Überraschungen geben kann, die die Filmemacher sorgfältig vorbereiten, nur um dann festzustellen, dass drei Tage vor Kinostart jeder halbwegs Filminteressierte bereits Bescheid weiß. Das schlimmste Beispiel dafür bleibt der Film Absolute Power, bei dem jeder aus dem Trailer wusste, welchen Beruf Gene Hackman ausübt, was man im Film aber erst nach etwa 20 Minuten erfährt, als bereits jemand getötet wurde, was bei einer anderen Tätigkeit Hackmans durchaus anders gelaufen sein dürfte.
Als Kritiker hat man da (insbesondere, wenn man nicht zu neugierig ist) einen großen Vorteil. Als ich Brokeback Mountain sah, wusste ich um den Regisseur, die Hauptdarsteller, den Preis in Cannes, und dass das Genre irgendwas mit dem Western zu tun hat. Zum Kinostart dürften wenige Personen ähnlich unvoreingenommen im Kino gesessen haben. Bei meinen Kritiken gebe ich mir mitunter viel Mühe, nicht alles auszuplaudern, aber mir ist schon bewusst, dass bei Fair Game die meisten kurzen Inhaltsangaben sich auf einen Punkt konzentrieren, der im Film erst nach der Hälfte der Laufzeit kommt. Und es einem als Zuschauer auch definitiv mehr bringt, wenn man nicht auf diese Entwicklung des Plots wartet und jede Aktion, die zuvor geschieht, bereits daraufhin hinterfragt. Und deshalb beschreibe ich auch vor allem die Zeit vor diesem Punkt, und muss mich dann ziemlich winden, die meines Erachtens schönste Szene des Films so zu umschreiben, dass der Kinogänger zwar darauf achten kann, aber allein durch meinen Text eigentlich keinen Schimmer hat, was an der Szene so besonders sein soll. Aber dazu später.
Das real existierende Paar Valerie Plame (Naomi Watts) und Joseph Wilson (Sean Penn) hat zwei Kinder und außergewöhnliche Berufe. Joe war u. a. in Afrika Botschafter, ist immer noch Regierungsberater, hält Vorlesungen und schreibt Texte für die angesagtesten Publikationen der USA. Seine Frau (und streng genommen versaue ich hiermit einen netten Twist in den ersten zehn Minuten des Films, aber irgendwelche Infos muss man wohl preisgeben) ist CIA-Agentin, und dabei sowohl auf der Jagd nach Terroristen (der Film spielt direkt im Anschluss an den 11. September 2001), als auch leidenschaftlich auf der Seite harmloser Menschen, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Fähigkeiten oder ihrer Familie schnell ins Fadenkreuz ihrer totalitären Regimes und Geheimdienste geraten.
Eigentlich haben beide Ehepartner ganz ähnliche Ziele und Ideale, doch sie versuchen diese auf ganz unterschiedliche Weise zu erreichen, dürfen darüber unterschiedlich wenig verlauten lassen (Valerie natürlich fast nichts), und da sie sich auch nicht immer absprechen, bevor sie mal wieder auf eine gefährlichen Mission ins Ausland aufbrechen oder einen brisanten Artikel veröffentlichen, gibt es in dieser Ehe Zündstoff, der sie auseinanderzureißen droht. Soweit die schwammige Inhaltsangabe.
Dann kommt die Entwicklung des Films, die die Ehe noch stärker in eine Zerreißprobe verwandelt, und zwar vor allem über die politischen Überzeugungen und die unterschiedlichen Arten, sie zu verwirklichen. Selbst, wenn man weiß, dass beide Hauptfiguren ein Buch über ihre Erfahrungen schrieben, weiß man noch nicht, wie der Film ausgeht, und die sehr detaillierte Beschreibung des Lebens der beiden, ihrer Umfelder, kleiner Gespräche mit Freunden und Vertrauten - dies alles sind Stärken des Film, die ich bei Regisseur Doug Liman nicht unbedingt erwartete. Mehr will ich hier einfach nicht ausplaudern, wen meine Umschreibung neugierig macht, der wird durch den Film nicht enttäuscht werden, wer hingegen schon frühzeitig um den Kniff des Films weiß, der wird die erste Hälfte wahrscheinlich etwas langweilig finden - und das ist sie garantiert nicht, solange man nicht nur auf etwas wartet, was erst später passiert.
Nun noch zu meiner absoluten Lieblingsszene des Films. Die leider auch erst nach dem »Kniff« stattfindet. Eigentlich unspektakulär und eher am Rande, und Leute, die den Film nur später auf DVD oder im Fernsehen sehen, werden es nie mitbekommen. Mutter Valerie liest ihren Kindern vor. Und man kann erkennen, was für ein Buch. Und dies ist mit viel Liebe und Hintergedanken ausgewählt ...