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Mr. Nice
(Bernard Rose)
UK 2010, Buch, Kamera, Schnitt: Bernard Rose, Vorlage: Howard Marks, Musik: Philip Glass, mit Rhys Ifans (Howard Marks), Chloë Sevigny (Judy Marks), David Thewlis (Jim McCann), Omid Djalili (Malik), Elsa Pataky (Ilze), Luis Tosar (Lovato), Crispin Glover (Ernie Combs), Christian McKay (Mac), Ken Russell (Russell Miegs), 121 Min., Kinostart: 23. Juni 2011
Als ich mal vor einem guten Jahrzehnt gegen Bezahlung das Vergnügen hatte, Howard Marks’ Autobiografie Mr. Nice zu rezensieren, war meine weitestreichende Kritik, dass Herr Marks sich selbst zumeist sehr positiv darstellt, während all jene Bundesangestellten, die den über lange Zeit erfolgreichen Drogenschmuggler quer über den Globus dingfest zu machen versuchten, boshaft, rachsüchtig und übelriechend waren.
Dies ist immerhin ein Kritikpunkt, der sich nicht ohne weiteres auf die Verfilmung übertragen lässt. Was aber wahrscheinlich auch daran liegt, dass Bernard Roses Film zwar nominal das Buch als Vorlage nimmt, sich aber bereits in der Rahmenhandlung auf Marks spätere Live-Auftritte in Richtung One-Man-Comedy bezieht. Was vollkommen natürlich legitim ist (wenn Marks in den anderthalb Jahrzehnten seit der Publikation FBI-Berater geworden wäre, hätte jeder vernünftige Regisseur dies natürlich auch mit ins Bio-Pic eingebaut), aber eben Hand in Hand mit einer Akzentverschiebung geht.
In der Planungsphase des Films schwebte Marks als Darsteller seiner Person Sean Penn vor, erst mit Bernard Rose kam dann Rhys Ifans ins Spiel, nicht nur wie Marks »ein Typ aus Wales«, sondern eben vor allem für seine eher komischen Rollen bekannt, von Notting Hill über Human Nature bis hin zu Enduring Love, wo Ifans bereits eine recht ähnliche Charakterzeichnung vorlegt, eine Art Komiker, der in einer Tragödie gefangen ist.
Angefangen mit seinem Bühnenauftritt hat Ifans als Marks im Film die Lacher auf seiner Seite. Die Nacherzählung seines Lebens beginnt mit Schwarzweiß-Aufnahmen, die seine Studienzeit in Oxford beschreiben, und recht schnell zu einem Sex & Drugs & Rock’n’Roll-Lebensstil à la Dewey Cox führen (inclusive einer eher naiven Alles-mal-Ausprobieren-Mentalität).
Visuell ist die Darstellung der Vergangenheit sehr interessant, vor allem, wenn zufällig mit der ersten Drogenerfahrung auch Farbe ins Spiel kommt und Rose mit stümperhaften Green-Screens und ambitionierten Bildkompositionen (teilweise einkopiert in altes Material) die Swinging Sixties sehr schön zu neuem Leben erweckt. Lange Zeit erweckt der Film fast den Anschein, dass Drogenschmuggel immer amüsant nostalgisch dargestellt werden sollte. Dazu verwendet man auch ganz simple Logik wie die umstrittene Gesetzeslage Narkotika betreffend, weshalb Marks zusammenfasst: »Am I a criminal now? When you break a law that’s wrong, that can’t be a crime.« Oder noch eine Spur selbstverliebter: »We’re revolutionaries, not fucking dope-pushers.«
Marks hat bei seinen Europa-Tourneen irgendwann realisiert, dass die meisten Käufer seiner Biographie dazu motiviert wurden, weil sie mit dem illegalen Status von Drogenkonsum bzw. -verkauf nicht übereinstimmen, und eine ähnliche Zielgruppe spricht auch der Film an. Nur leider wandelt sich dann irgendwann die Stimmung des Films, nach einer Stunde fröhlichem Rausch und Sparwitzen auf Kosten von Zöllner nimmt nicht nur der Druck von außen auf Marks zu (seine vielfältigen Beziehungen zum FBI, der Mafia usw. können ihn nicht aus jeder brenzlichen Situation befreien), es kommen auch Beziehungsprobleme dazu, und - stärker als ich es aus dem Buch in Erinnerung habe - letztendlich geht es dann auch um charakterliche Makel der Hauptfigur, die sich schließlich rächen. Weshalb trotz Happy End (habe letztens zufällig mitbekommen, dass Marks inzwischen auch mindestens einen Kriminalroman geschrieben hat) aus der Komödie zwischenzeitig ein durchaus beklemmendes Drama wird. Doch die beiden Extreme kann der Film nur unzureichend miteinander verbinden (so zumindest meine Meinung), weshalb der Film als Ganzes nicht annähernd so überzeugt wie seine mitunter (nicht nur visuell) bemerkenswerten besseren Passagen.
Rein pädagogisch begrüße ich es aber, dass die Darstellung auch den Gefahren von Drogenaschmuggel und -konsum gerecht wird. Ich befürchte, bei Marks’ Bühnenauftritten werden bestimmte Aspekte eher verharmlost. Und somit sollen doch all die Dopeheads ruhig in den Film gehen, wenn sie danach ein nagendes Gefühl im Hinterkopf verspüren, statt sich nur zu amüsieren, hat das auch etwas Gutes.
Wenn ich einen Meter zurücktrete und auf diese Kritik schaue, bin ich übrigens beschämt darüber, wie ich wie ein selbstgerechter Spießer daherkomme. Aber mir fällt keine überzeugende Taktik ein, wie ich meine Person oder meinen Text verändern kann, um mich positiver darzustellen, ohne dabei entgegen meinen Überzeugungen zu agieren oder schlichtweg zu lügen. Und somit belasse ich es dabei.