USA 2011, Buch: J.J. Abrams, Kamera: Larry Fong, Schnitt: Maryann Brandon, Mary Jo Markey, Musik: Michael Giacchino, Production Design: Martin Whist, Supervising Art Director: David Scott, mit Joel Courtney (Joseph »Joe« Lamb), Elle Fanning (Alice Dainard), Kyle Chandler (Jackson Lamb), Ron Eldard (Louis Dainard), Riley Griffiths (Charles Kaznyk), Ryan Lee (Cary), Gabriel Basso (Martin), Zach Mills (Preston), Noah Emmerich (Nelec), Glynn Turman (Dr. Woodward), Brett Rice (Sheriff Pruitt), Beau Knapp (Breen), AJ Michalka (Jen Kaznyk), Jessica Tuck (Mrs. Kaznyk), Joel McKinnon Miller (Mr. Kaznyk), Bruce Greenwood (Cooper), Dan Castellaneta (Izzy), Caitriona Balfe (Elizabeth Lamb), Richard T. Jones (Overmyer), Emerson Brooks (Military Bus Driver), Michael Giacchino (Deputy Crawford), 112 Min., Kinostart: 4. August 2011
Zwei Dinge sprachen im Vorfeld gegen Super 8: die gleiche auffällige Medienaktion wie schon bei Cloverfield (bei dem ja die Werbeausgaben die Drehkosten vermutlich um einiges übertrafen), und die potential verheerende Herangehensweise, eine Hommage an Steven Spielberg zu drehen, bei der der zunehmend nachlassende bekannteste lebende Filmemacher der Welt auch Co-Produzent ist.
Beide Faktoren prägen, wie ich mittlerweile konstatieren kann, den Film. Wie bei Cloverfield gab es keine Schauspielstars - abgesehen vom hierzulande unbekannten Emmy-Gewinner Kyle Chandler und der 13jährigen Elle Fanning, die immerhin schon in der John-Irving-Verfilmung The Door in the Floor und Sofia Coppolas Somewhere tragende Rollen innehatte und sich längst aus dem Schatten ihrer vier Jahre älteren Schwester Dakota (War of the Worlds, Charlotte’s Web, Eclipse) befreien konnte. Die ganze Aufmerksamkeit im Vorfeld konzentriert sich auf irgendein mysteriöses Geheimnis (»something more terrifying than any of them could have imagined«), das aber (im Internetzeitalter fast eine Unmöglichkeit) gut gehütet wird. Und wo bei der ganzen Dramaturgie (und den überschaubaren Kosten) von Cloverfield eine Videokamera eine große Rolle spielte, findet sich diesmal der nostalgisch angehauchte Urahn allgegenwärtiger digitaler Aufnahmegeräte sogar schon im Titel des Films.
Die 1979 spielende Geschichte stellt die Dreharbeiten einiger Schüler an einem abstrusen Zombiefilm (der dem Publikum zusammen mit dem Abspann präsentiert wird und viel zum Charme des Films beiträgt) lange Zeit in den Mittelpunkt der Handlung. Regisseur Abrams, der mal für ein kleines Festival Spielbergs legendäre frühe Gehversuche im filmischen Erzählen (Amblin etc.) restaurieren durfte, knüpft hiermit auch an seine eigenen Wurzeln als Filmemacher an.
Die Gespräche unter den Kids erinnern an die Diskussionen bei Stand by Me (»Ist Goofy ein Hund?«), die Auswahl der jugendlichen Protagonisten liegt auch irgendwo zwischen diesem Film oder etwa den Kids in Stephen Kings It: neben der heldenhaften Identifikationsfigur der übliche Moppel, Zahnspangenträger und eine Brillenschlange - nur die unterschiedliche Klassenherkunft wird bei Abrams (ähnlich wie in Spielberg-Filmen mit ihren gleichförmigen Suburbia-Settings) eher ausgespart, man erfährt eigentlich nur etwas mehr vom Hintergrund des zentralen Dreiecks unter den Kindern: Hauptfigur Joe und sein bester Freund (und Amateur-Regisseur) Charles, sowie das Mädchen, für das sich dummerweise beide interessieren. Elle Fanning als Fremdkörper Alice (»Ich versteh nur nicht, wie eine Frau die Handlung voranbringen soll ...«) bringt hierbei den frühpubertären Coming-Of-Age-Aspekt ein - und bringt die Dreharbeiten als erkennbares Schauspieltalent durchaus voran.
Hier kommt jetzt der Action- und Mystery-Anteil des Films ins Spiel, zunächst mit einem spektakulären Zugunglück, das von den Kids wie die geheimnisvollen Einsätze der US Air Force für den Hintergrund des Filmprojekts verwendet wird. Doch schon schnell zeigt sich, dass die »reale« Welt viel erschreckender ist als die Zombiegeschichte des Filmprojekts - angefangen mit dem Wissenschaftler (und Lehrer) Dr. Woodward, der in Sachen Zombie-Make-Up und -Gebahren jenen Knaben mit den falschen Augäpfeln relativ lachhaft erscheinen lassen.
Der nostalgische Effekt des Films wird liebevoll ausgearbeitet. Star-Wars-Plakate, Walkmen (»Kinder mit Walkman haben uns gerade noch gefehlt. Die kriegen überhaupt nichts mehr mit!«), Nancy Reagans »Say no to Drugs!« oder der Soundtrack mit Blondie, ELO oder My Sharona. Und immer wieder gibt es veritable Spielberg-Momente - aus der Zeit, als mit Spielberg noch was los war. Super 8 macht einfach Spaß, so wie Mainstream-Spektakel zu Zeiten von Back to the Future noch Spaß machten.
Bei soviel Spaß sieht man auch über diverse Ungereimtheiten, Unachtsamkeiten oder nicht durchdachte Elemente hinweg. Super 8 ist ein B- oder C-Genrefilm mit der liebevollen Handschrift seines Filmemachers - und einem ansehnlichen Budget sowie einer echten Vision - selbst wenn Abrams nur von E.T. über Stand by Me bis War of the Worlds bekannte Klischees clever mixt.
Der Höhepunkt des Films ist aus meiner Sicht nicht die Offenbahrung jenes Geheimnisses, sondern die Vorführung von Charles Kaznyks großartigem Super-8-Kleinod »The Case« während des Abspanns - auch, wenn man auch hier - wie bei vielen Szenen zuvor lieber nicht nachdenken sollte - z.B. darüber, wie man mit nur einer Kamera soviele Schuss-Gegenschuss-Montagen von nur einmal gedrehten Szenen aus dem Hut zaubern kann. Aber, wie gesagt, manchmal muss man über bestimmte Dinge hinwegsehen. Wenn meine 13jährige Nichte solch einen Film drehen würde, wäre ich auf sie fast so stolz wie auf Abrams, den ich nach der Vernichtung des Planeten Vulcan schon am liebsten gesteinigt hätte. Möge er noch viele Filme drehen, die aber lieber nichts mit Star Trek zu tun haben.