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Cloverfield
(R: Matt Reeves)
USA 2008, Buch: Drew Goddard, Kamera: Michael Bonvillain, Schnitt: Kevin Stitt, Creature Design: Neville Page, mit Michael Stahl-David (Rob Hawkins), Lizzy Caplan (Marlena Diamond), Jessica Lucas (Lily Ford), T.J. Miller (Hud Platt), Mike Vogel (Jason Hawkins), Odette Yustman (Beth McIntyre), Ben Feldman (Travis), Roma Torre (Herself), 84 Min., Kinostart: 31. Januar 2008
Mithilfe von vier Jahren Fernsehabstinenz ging auch das ganze Phänomen J. J. Abrams an mir vorbei, ich lernte das kleine Kerlchen bei der Pressekonferenz zu Mission Impossible 3 kennen, und war relativ erstaunt, als ich dann erfuhr, dass man Abrams trotz verhaltenem Erfolg des dritten Teils des Franchise die Produktion des elften Star Trek-Films übertrug. Inzwischen scheint auch festzustehen, dass er auch Regie dabei führt. Zunächst kommt aber Cloverfield, ein Film mit einem Hype-Effect, wie man ihn zuletzt vielleicht bei Snakes on a Plane erlebte - und das allein sollte Grund genug sein, vorsichtig zu sein.
Für den offenbar recht preiswert entstandenen Cloverfield (ein Titel, der genauso austauschbar ist wie die zuvor verwendeten fake-Titel Cheese, Monstrous, 1-18-08 oder Slusho) verpflichtete Abrams neben einigen nahezu unbekannten jungen Darstellern (Mike Vogel spielte immerhin schon in Poseidon und Rumor has it mit, die anderen sind extrem neue und somit preiswerte Gesichter) als Drehbuchautoren den Mitproduzenten von Alias und Lost (und Autoren unzähliger Folgen außerdem von Buffy und Angel), als Regisseur den Autoren von nicht weniger als 64 Folgen Felicity (eine frühe Abrams-Serie von 1998-2002), wobei Mr. Reeves auch fünf Folgen dieser Serie (und einiges anderes an Fernseh-Kram) inszenierte, der Kameramann hat bereits unzählige Folgen der drei bereits genannten Abrams-Serien betreut, und einzig der Cutter Kevin Stitt hat immerhin schon einige Kinoerfahrung - wenn auch bei eher konventioneller Action-Massenware wie Lethal Weapon 4, Payback, A Knight’s Tale, Paycheck oder Elektra. Soweit einige Punkte, die nicht unbedingt für den Film sprechen - kommen wir also zum Positiven.
Abrams und seine Mannen wussten immerhin genau, was sie wollten. Man kann das Prinzip als “Blair Witch Project meets Godzilla” zusammenfassen, doch über diese zwei Vorbilder hinaus hat man auch bei anderen Filmen einiges abgeschaut. Das Creature Design (mit eines der am besten gehüteten Geheimnisse dieses Films) stammt von Neville Page (einem bisher recht unbekannten Herrn, dessen Jobs beim neuen Hulk-Film, James Camerons Avatar, Star Trek 11 oder Watchmen durchaus dafür sorgen könnten, dass man ihn in drei Jahren besser kennen wird) und erinnert in nicht geringem Maße an den mit Abstand besten Monsterfilm der letzten Jahre, Bong Joon-hos Gwoemul (The Host). Zumindest ist das Monster, das hier die Freiheitstatue in einer leider nicht mehr völlig überraschenden Szene ihres Kopfes beraubt, genausowenig eine herkömmliche Echse aus der Gattung godzillae giganticus reissverschlussus wie die mutierte Kaulquappe, die Seoul unsicher machte. Auch hat man eines der Prinzipien von Spielbergs Jurassic Park nachvollzogen, denn ein T-Rex allein ist schon gruselig, aber zusammen mit ein paar Velociraptoren kann man sich nicht mehr einfach schnell im Keller verkriechen. Diese Lehre hatte auch schon Roland Emmerich bei seinem Godzilla bedacht, allerdings war die Idee des in seiner Größe recht “variablen” Monsters, das mal durch Häuserschluchten stampft und sich dann durchs U-Bahn-Netz zwängt, eher lachhaft - und somit hat man sich hier etwas neues einfallen lassen. Da man ja vom Fernsehen kommt, hat man außerdem etwa viertelstündige Sinneinheiten kreiert, und neben der üblichen Monsterpanik, ein bißchen (sehr verhaltenes) Blair Witch-Geschnodder und Armee-Brimborium gibt es auch winzige Ansätze einer an Zombiefilme erinnernden Epidemie oder eine Rettungsaktion, die definitiv von 9-11 inspiriert ist. Dass Cloverfield aber trotz Wackelkamera und Low Budget ein echter Kinofilm ist, zeigt sich in den ersten 25 Minuten: ein andauerndes Party-Interview, bei denen vor der Glotze etwa 85 % umgeschaltet hätten.
Wenn man bedenkt, dass der Film abzüglich des Abspanns nur etwa 75 Minuten geht, hat man das Ganze vielleicht sogar zu sehr vollgestopft, im gleichen Moment aber auch so viele Fragen offengelassen, dass mindestens drei Sequels im Bereich des Möglichen sein sollten. Was man dann aber besser machen sollte, sind die logischen Ansätze. Die ganze Helden- und Liebes-Nummer wirkt ziemlich aufgesetzt, wer in Extremsituationen seine mitgeführte Videokamera zurückspult, um Beweismaterial vorzuführen, denkt vielleicht nicht immer daran, fast genau an den ursprünglichen Ausgangspunkt zurückzuspulen, und Hubschrauberabstürze aus ca. 40 Metern Höhe habe ich mir immer etwas gefährlicher vorgestellt. Viel stärker als beim Blair Witch Project gibt der durchkonstruierte Plot die Kamerabewegungen vor (diesmal übrigens auch nur eine Kamera), und dadurch geht auch ein wenig an Mysteriösem verloren. Hier stirbt kaum jemand mal off-camera, für ein Massenpublikum wird einiges so sehr erklärt, dass es dann im Nachhinein doch wieder keinen Sinn mehr gibt, und das wirklich gelungene Ende (hier hat man klar von den Fehlern bei Blair Witch gelernt) wird dann durch den ärgerlichsten Abspann, den ich je gesehen habe, wieder ein gehörig zunichte gemacht. Nach 75 Minuten, während derer es aus nachvollziehbaren Gründen keine herkömmliche Filmmusik gibt, einzig ein bißchen Partymucke, bei der man aber die Bässe der Songs schon gut kennen muss, um beispielsweise die Gorillaz zu erkennen, kommt dann zu der erstaunlich langsam herunterziehenden Schrifttafel die schon jetzt schlechteste Filmmusik des Jahres, für die man Michael Giacchino (übrigens auch jemand mit Lost- und Alias-Vergangenheit) seine Oscar-Nominierung für Ratatouille postwendend wieder aberkennen sollte ...