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Bildmaterial: Movienet Film
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Cirkus Columbia
(Danis Tanovic)
Bosnien-Herzegowina / Frankreich / England / Deutschland / Slowenien / Belgien 2010, Buch: Danis Tanovic, Ivika Dikic, Lit. Vorlage: Ivika Dikic, Kamera: Walther Vanden Ende, Schnitt: Petar Markovic, mit Miki Manojlovic (Divko Buntic), Mira Furlan (Lucija), Boris Ler (Martin), Jelena Stupljanin (Azra), Milan Strljic (Ivanda), Mario Knezovic (Pivac), Svetislav Goncic (Savo), Miralem Zubcevic (Leon), 113 Min., Kinostart: 20. Oktober 2011
Nach je einem Film, die während (No Man’s Land) oder nach einem Konflikt (Triage) spielten, schildert Danis Tanovic nun die Situation unmittelbar vor dem Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. 1991, nach dem Zusammenbruch des Ostblock und den ersten demokratischen Wahlen, die noch Hoffnung verhießen, Serben und Kurden könnten friedlich nebeneinander leben, kehrt Divko (Miki Manojlovic) zurück in das Land, das er vor zwei Jahrzehnten wegen der kommunistischen Führung verließ. Jetzt hat er einen protzigen roten Mercedes, jede Menge Deutschmark und eine ca. halb so alte attraktive Freundin dabei. Und lässt gleich einmal per Polizeigewalt seine Noch-Ehefrau Lucija (Mira Furlan) und den gemeinsamen zwanzigjährigen Sohn Martin aus »seinem« Haus entfernen. Die Politik spielt noch keine Rolle, aber die Konfrontation ist für den Film Programm.
Die junge Freundin Azra (Jelena Stupljanin) weiß mit dem Kaff wenig anzufangen und in der Beziehung entstehen Brüche - auch, weil sich hier auch die jüngere Generation für sie interessiert, und mit Divkos Geld längst nicht alles machbar ist. Sehr symbolkräftig verschwindet Divkos Glücksbringer, eine Katze namens »Boni«, die verhätschelt ist und schon die Anreise erschwerte. Irgendwie scheint diese Katze neben dem Glück auch Lethargie und Blindheit zu symbolisieren, denn den drohenden Krieg will im Dorf kaum jemand wahrhaben, man beschäftigt sich lieber mit Alltagsdetails, und so suchen Azra und Martin beispielsweise gefühlt den halben Film lang nach »Boni«.
Divko indes versucht, seinen Sohn nebenbei kennenzulernen, doch dadurch, dass die Mutter nun in eine »Gemeindewohnung« (natürlich ein Euphemismus, »Ruine« trifft den Zustand der Immobilie besser) ziehen muss, gibt es natürlich Spannungen, und es liegt eher an der neuen »Stiefmutter«, dass Martin öfters mal vorbei kommt.
Langsam klärt der Film die Fronten: Lucijas Vater war Hauptmann der Partisanen, Divkos Vater Faschist. Der Konflikt überdauert offensichtlich die Generationen, auch bei Martin und seinem besten Freund gibt es eine Balgerei (wegen der Stiefmutter), und wenn jeder seine Seite finden muss, Flucht oder Militarisierung die bevorzugten Handlungsarten werden (»irgendwer muss ja kämpfen!«), verhärten sich auch hier die Standpunkte.
Nach Jahrzehnten des harmlosen Ringelreihen, für den auch ein Kirmesplatz mitten im Ort steht, sieht man nun den rauch der ersten Bomben, wenn die ersten Opfer bevorstehen, klinkt sich der Film aus, er hat vor allem die trügerische Ruhe vor dem Sturm dokumentiert.
Cirkus Columbia erinnert nicht nur durch seinen Hauptdarsteller (den manch einer auch aus Irina Palm kennen wird) an das alte Jugoslawien, an die eher heiteren Film von Emir Kustorica. Inklusive der »schwarzen Katze«. Vom Charisma ebenbürtig ist Mira Furlan als seine Noch-Ehefrau, vor allem bekannt aus Fernsehserien wie Babylon 5 oder Lost. Obwohl sie nur fünf Jahre jünger ist, verlief ihre Karriere gänzlich anders. Nur eine weitere Dichotomie, der Film lebt von diesen Gegensatzpaaren, den zwei sich ablösenden Bürgermeistern, den zwei militaristischen Systemen usw. So wie Divko eine junge Freundin mitbringt, hat natürlich auch Lucija inzwischen einen neuen Verehrer. Und bis zur letzten Viertelstunde des Films wirkt alles so harmlos, wie ein Schelmenstück, wie Don Camillo und Peppone. Doch diese fälschlich harmlose Atmosphäre ist das Interessanteste und pädagogisch wertvollste an dem Film.